Was sind Computerspiele eigentlich?

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Skurril: 1998 erscheint Die verrückten Abenteuer des Larry Laffer bei Bastei Lübbe, und zwar als Roman. Heinrich Lenhardt ist in PCPlayer 02/98 von diesem Leisure-Suit-Larry-„Port“ nicht überzeugt. Schon die Zwischenüberschrift „Platte Prosa-Peinlichkeit“ verrät: hier ist kein Pulitzer-Preis zu erwarten.

Dabei tritt ein nach wie vor aktuelles Problem zutage. Worte, Bild und Ton tragen zwar in manch gelungenem Computerspiel deutliche Züge von Roman, bildender Kunst und veröffentlichungsreifer Musik. Außerhalb des Gaming-Kontextes jedoch scheint deren narrativer, visueller und auditiver Gehalt kaum jemanden davon zu überzeugen, dass Computerspiele den alten Medien gleichzustellen wären. Funktionieren die künstlerischen Elemente in Games nur innerhalb ihrer natürlichen Umgebung?

Unter meinem GG-User-Namen Unregistrierbar tanze ich in Zeiten des Pillars of Eternity-Hypes auf dem Vulkan und lege dessen geistigen Urvater, Baldurs Gate, unter den Seziertisch. Wieviel Roman, wieviel Spiel ist in dessen Eingeweiden zu finden, und reicht der narrative Teil aus für ein Buch?

Der Artikel ist HIER zu finden (Link öffnet in neuem Tab).

heute.de macht Werbung für die Games-Industrie im Namen der Justiz

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heute.de: mit Cyber-Brillen Verbrechen aufklären

Meine Güte, das ist nur mehr peinlich. Die Computerspiele-Industrie macht sowieso schon einen Hype um diese Brille, die letztendlich nichts anderes tut, als die seit Jahrzehnten bekannte 3D-Technik a) per Brille ganz nahe an den Kopf zu bringen und b) diese Brille als Blickwinkel-Steuerung zu nutzen. Also Dein Kopf als Joystick mit Bildschirm sozusagen.

Wenn dann die Gamer-Kids aus dem Häuschen sind, ist das nichts Besonderes. Es gibt so eine Zeitspanne im Leben, die junge Burschen nach dem ersten Samenerguß zunächst befriedigt, aber mit offenen Fragen hinterlässt: ich kann Sex machen, aber wie mache ich den jetzt mit einer Frau? Da die Antwort auf diese Frage nicht so leicht gefunden werden kann, entsteht natürlich eine Menge Frust, und der wird in besonders harten Fällen ausschliesslich mit Computerspielen kompensiert. Da eröffnet so eine Virtual-Reality-Brille natürlich ganz neue Möglichkeiten.

Nichts Weltbewegendes also: da wird nun zum tausendsten Mal versucht, die nächste Killer-Hardware an den Mann zu bringen. Kennen wir alles schon. Gähn.

Doch wenn dann die heute-Sendung auf diesen Hype aufspringt, frage ich mich, warum dieses Nachrichtenformat staatlich gefördert wird. Es ist ja schon offensichtlich peinlich, wenn die Uni Zürich versucht, der Gamer-Hardware einen seriösen Anstrich zu verpassen. Dass sich aber ein staatlich gefördertes Medium zum verlängerten Arm der Industrie macht und die hanebüchen formulierte Werbung 1:1 übernimmt, geht einfach mal gar nicht.

Keine Fragen dazu, wer die Uni Zürich in dieser Sache finanziert. Keine Fragen zur Praktikabilität. Keine Fragen zu technischer Manipulierbarkeit. Aber was das Wichtigste ist: keine Frage nach dem großen Vorteil. Welchen Unterschied macht es denn nun, ob ich diese Brille aufhabe oder ob ich auf einen Bildschirm schaue? Das ist doch völlig wurscht. Diese Brille mag in Spielen einen Kick bringen, weil sie das Geschehen näher bringt und eine gewisse Intuitivität in die Steuerung bringt. Aber ein Richter hat ja kein Spielziel in einem Verfahren, auch braucht er keinen Kick, im Gegenteil: er soll so sachlich wie irgend möglich die Faktenlage beurteilen.

Doch nichts davon bei heute.de. Schlimm, sowas.

Ratespiel Folge 1: FC Bayern gewinnt Geisterspiel in Moskau

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Kaum zu unterscheiden. Versucht es trotzdem, denn NUR EINES davon ist das Original!

Nintendo und so…

Mario Kart 8 kam, sah und siegte.

War die Wii U seitens mancher Publikationen schon totgesagt worden, redet nun kaum einer noch vom Untergang der aktuellen Nintendo-Konsole. MK 8 hat sich alleine in der ersten Woche 1,2 Millionen mal verkauft [Update 27.06.2014: Verkaufszahlen weltweit: 2 Millionen]. Dabei ist anzumerken, dass viele Leute sich extra dafür eine Wii U gekauft haben, will heissen: MK 8 hat auch die Hardwareverkäufe angekurbelt.

 

mk8Nicht schlecht für das erste Verkaufswochenende: 1,2 Millionen verkaufter Einheiten von Mario Kart 8.

Schon ist die Rede von einer Trendwende – Nintendo hatte mit der Vorgängerkonsole (Wii) dank der innovativen Bewegungssteuerung die in technischer Hinsicht hoch überlegene Konkurrenz auf die Ränge verwiesen, aber der Nachfolger Wii U tat sich mangels ausreichenden Softwareangebots zunächst schwer. Dank MK 8 und eines überzeugenden Auftritts auf der E3 ist von Krise kaum noch die Rede: das Blatt wendet sich und ich will mir hier ein paar der verbliebenen Kritikpunkte an der Wii U genauer anschauen.

Zunächst einmal fällt auf, dass plötzlich hier und da externe Publisher nun doch bereit sind, Spiele für die Wii U herauszubringen. Ganz so plötzlich kommt das dann auch nicht: nach dem Verkaufserfolg von MK 8 sowie einer überzeugenden E3, bei der u.a. das langersehnte Wii-U-exklusive Zelda angekündigt worden ist, ist Nintendo wieder in aller Munde.

Dazu zunächst der Zelda-Teaser-Trailer von der E3:

 

 

Kritikpunkt: die Entwicklung von Spielen für die Wii U ist ein Risiko.

Nun ist Ubisoft-CEO Yves Guillemot der Meinung, Nintendo müsse die Konsole billiger anbieten, denn das würde die Verkäufe weiter ankurbeln und Nintendo endgültig zu einem Kandidaten für Spiele-Releases machen. Klartext: „Nintendo, mach Deine Konsole billiger, dann wird sie öfter gekauft und wir sind dann so gnädig, für sie Software zu produzieren, die wir an viele Leute verkaufen können„. Schönen Dank, Herr Guillemot für den Ratschlag in der Not. Nur sollten Sie ja eigentlich wissen, dass Konsolen sich besser verkaufen, je mehr Software für sie vorhanden ist.

Dementsprechend hat Ubisoft verlauten lasse, ein fertiges Wii U – Spiel in der Schublade stecken zu haben, dieses aber noch zurückzuhalten, bis die Konsolenverkäufe ein sicheres Geschäft garantierten. Man wolle das Geld fürs Marketing nicht in den Sand setzen. Ich glaube, das mit Ubisoft und Nintendo wird nix. Ich habe schon so einige verärgerte Kommentare von Nintendo-Besitzern bzgl. Ubisofts Release-Strategie gelesen und kann diese wirklich nachvollziehen..

Weiter frage ich mich, für wen sich der CEO von Ubisoft hält. Klar, seine Firma ist einer der größten Publisher überhaupt und Spiele aus seinem Hause sind eine gewichtige Entscheidungshilfe für die Anschaffung einer Konsole. Allerdings überschätzt er hier Ubisofts Einfluss eindeutig. Denn Nintendo hat ein derart eigenes Profil, dass eher Publisher ihre Spiele an die Konsole anpassen müssen denn Nintendo auf „gutgemeinte“ Ratschläge bezüglich der Preispolitik seitens einer Softwarefirma hören. Beispiel: Rayman Legends aus eben jenem Hause Ubisoft.

 

Rayman-Legends-wii-uRayman Legends beweist, welches Potenzial im Wii-U-GamePad steckt – man muss es nur ausschöpfen.

 

Rayman mag seinen Fanstamm haben, allerdings hat der Titel weder je den Verbreitungsgrad noch den Kultfaktor von Super Mario erreicht. Dementsprechend musste Rayman Legends für die Wii U den Konsolenbesitzern auch etwas zu bieten haben angesichts der drückenden Konkurrenz aus dem Hause Nintendo, denn: warum soll sich der Besitzer einer Nintendo-Konsole ein Jump ´n´ Run anschaffen, das nicht Super Mario ist? Und hier hat Ubisoft das einzig Richtige getan und sich der Nintendo-Spielekultur angepasst. Letztlich ist es dem Publisher mit Rayman Legends auf der Wii U gelungen, durch die konsequente Nutzung des Wii-U-Gamepads einen Kaufanreiz zu liefern. Der Wechsel zwischen GamePad und TV ist nicht nur hübsche Spielerei, sondern wirkt spielerleichternd bzw. den Spielfluss fördernd.

D.h., Publisher müssen sich Nintendo anpassen, nicht umgekehrt. Wenn Ubisoft 6,2 Mio Kunden für keine ausreichende Zahl möglicher Kundschaft hält, frage ich mich, inwiefern 7 Mio dann besser sein sollen – von den 5 Mio (an Händler, nicht an Kunden!) ausgelieferten Xones mal ganz abgesehen. Falls aber das Spiel einfach nur ein billiger Abklatsch der Xone-PS4-Versionen ist, könnte es aber natürlich sein, dass Ubisoft ein Risiko mit einem Release eingeht. Dann müssen sie halt überzeugendere Titel rausbringen.

 

Kritikpunkt: „Wii U klingt der Vorgängerkonsole Wii zu ähnlich“.

Die Prügelstrafe ist zurecht abgeschafft, und dennoch möchte man bei manch voreilig herausposauntem Kommentar einfach nur mit der flachen Hand ausholen. So geschehen bei der Annahme, die Wii U hätte sich anfangs nicht so gut verkauft, weil der Name zu ähnlich sei und man somit eventuell gar nicht bemerke, dass es sich dabei um eine neue Konsole handele.

Der Nachfolger der Playstation hiess Playstation 2. Und deren Nachfolger? Wir erinnern uns: Playstation 3. Und nun, Achtung, IQ-Test, bietet Sony die Playstation 4 an. Geschadet hats nicht. Bei der Xbox hat man sich schon einiges mehr einfallen lassen: aus der XBox wurde die Xbox 360, bis wir nun die Xbox One vorliegen haben. Geschadet hats nicht. Das NES wurde vom SNES abgelöst, geschadet hats nicht.

OK, der C128 war, verglichen zum C64 ein Flop. Das lag aber wohl eher daran, dass er als 8-Bit-Computer zu einer Zeit gekommen war, als Atari – und wenige Monate später Commodore selbst – bereits 16-Bit Computer auf dem Markt hatten.

Also das mit dem Namen wollen wir mal ganz schnell wieder vergessen.

 

Zelda:

zugegeben, Nintendo hat sich selbst keinen Gefallen damit getan, seit Release der Konsole bis zur E3 2014 nicht ein Wort darüber zu verlieren, ob es nun ein Wii-U-exklusives Zelda geben wird oder nicht. Zelda ist – wie Super Mario Bros – ein Label mit riesiger Fangemeinde auf der ganzen Welt und somit ein echtes Zugpferd im Wettbewerb um die Vorherrschaft im Konsolenbereich. Alleine die Ankündigung eines Ablegers dieser Serie hätte viele zum Kauf der Konsole bewogen, aber Nintendo schwieg.

Nun gut, seit der E3 ist dieses Schweigen endlich gebrochen und Menschen in aller Welt freuen sich auf das kommende Zelda.

 

Kritikpunkt: Zelda ist wie die anderen Serien-Titel immer das Gleiche.

Nun lese ich in dem einen oder anderen Kommentar, Zelda sei wie die anderen großen Nintendo-Titel immer das Gleiche und allein deshalb wäre eine PS4 oder die Xone der Wii U vorzuziehen. Da frage ich mich, welchen Grund es für einen FIFA-13-Besitzer auf der PS3 wohl geben mag, sich nun FIFA 14 zu holen.

 

fifa14_ps3_bale_shootingFIFA 13: Spieler schiesst Ball auf Tor. Mit links.

 

fifa14FIFA 14: Spieler schiesst Ball auf Tor. Mit links.

 

Ich kann ja verstehen, wieso jemand dieses Fussballspiel mag, nur gibt es wirklich keinen Grund, sich jedes Jahr einen neuen Ableger zu holen. Es ist schon dreist, wie EA hier Jahr für Jahr Kohle scheffelt, indem eigentlich nur die Jahreslizenz sowie die Namen der neuen Spieler erneuert werden. Klar, die Grafik wird auf den Stand gebracht, aber gerade im Konsolenbereich passiert da nichts innerhalb eines Jahres. Und natürlich mag der eine oder andere Spielzug besser von der Hand gehen, aber seien wir ehrlich: ist der Aufwand vergleichbar mit jenem, der für ein komplett neues Spiel betrieben wird? Die FIFA-Reihe ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich Konsumenten Jahr für Jahr das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Weil sie es wollen.

Das ist nicht nur ein Beispiel: den Großteil der AAA-Titel machen inzwischen Serien-Ableger aus, wie z.B. Assassins Creed 3, The Witcher 3, GTA 5 oder CoD, von dem es inzwischen fast ein Dutzend Ableger gibt. Und trotzdem kaufen es die Leute. Das ist ja auch OK und soll ihnen gegönnt sein, nur verstehe ich dann nicht die Kritik an Zelda, bei dem jeder Teil von Grund auf neu programmiert wird und neben Story, Grafik, Sound und Steuerung eine bedeutende Frischzellenkur in punkto Spielmechanik verpasst bekommt.

Zu den Verkaufszahlen der Wii U:

 

PS4: 7 Mio (16.04.2014)

Wii U: 6,2 Mio (März 2014)

Xbox One: 5 Mio (April 2014, nicht Endverkauf, sondern an Händler ausgeliefert)

 

Ich frage mich, wieso angesichts dieser Zahlen immer noch hier und da von „schlechten Verkaufszahlen“ gesprochen wird. Zum einen liegt die Wii U vor der Xone und zum anderen ist der Abstand zur PS4 gering (aufgerundet 13 %). Da wird dann so argumentiert, dass die Wii U ja bereits ein Jahr vor den anderen beiden Konsolen auf den Markt gekommen ist und deshalb die Zahlen anders zu werten seien. Ich frage: wie soll man sie denn sonst werten? Soll man eine vergleichende Liste führen, bei der die Verkaufszahlen der Wii U jeweils 1 Jahr zurückgerechnet werden? Das wäre doch Quatsch. Für Publisher (extern oder Nintendo selbst) ist es völlig wurscht, wieviele Konsolen vor 1 Jahr verkauft worden sind – der Absatzmarkt hat jetzt die Stärke von 6,2 Mio möglichen Kunden und das ist die Zahl, die den Hersteller von Software interessiert. Wobei „jetzt“, also im Juni 2014 dank MK 8 und der E3 von um einiges höheren Verkaufszahlen auszugehen ist als den genannten 6,2 Mio. Demnächst sollte es ein Update bzgl. der Verkaufszahlen geben, aber die Verkäufe allein in Japan lagen bereits vor dem Release von MK 8 über jenen sowohl von Xone als auch PS4.

 

Eines noch zu der Frage, welche Spielerschaft Nintendo anspricht. Nintendo-Spiele sind für jedermann. Wenn Leute der Meinung sind, aufgrund der Aufmachung seien vor allem Kinder angesprochen, handelt es sich um 13 – 16-Jährige. Deren Geschmack ist bekanntlich unter jeglichem Niveau – man schaue sich nur deren gemoddete PCs an. Jemand, der einen solchen „Gaming-PC“ besitzt:

gamingpc

hat natürlich keinen Sinn für Ästhetik und Witz einer solchen Darstellung:

 

Diese_Spiele_gibt_es_zum_Europa-Start_fuer_Nintendos_Wii_U-24_neue_Games-Diashow-24894_630x354px_13_b8y5z0dVHtVUEFür < 12-jährige ist das da oben Kinderkram. Wohingegen bizeps-Boliden mächtig erwachsen aussehen. Vor allem, wenn sie Knarren in der Hand halten.

 

Dazu lese man sich nur die dümmlichen Kommentare der PC-Gamerschaft zu Broken Age auf gamersglobal durch.

 

Es ist nun mal so: PC-Fetischisten haben keinen Sinn für Ästhetik. Und wenn doch, dann haben sie einen Mac.

 

Spielen ist wichtiger Teil menschlicher Kultur. Computerspiele sind inzwischen derart verbreitet, dass sie auf ihre Art ein Abbild der Menschheit sind. Es gibt Kunst und Kommerz, Stil und Kitsch, Spass und Ernst darin. Leute zocken um Geld oder zum Spass, manche sind süchtig, manche machen sogar politische Spiele. Demnach kann man also die Frage stellen, welchen Teil der Menschheit Nintendo eigentlich repräsentiert. Für mich ist Nintendo eine Firma, die einer Philosophie folgt. Sie wollen unterhalten. Natürlich wollen sie Geld damit verdienen, nicht primär. Die ziehen das mit der Wii U durch, auch wenn es zwischenzeitlich schwer war – Microsoft kickt das jeweilig schlecht laufende Betriebssystem einfach in die Tonne, siehe Vista. Die Leute bei Nintendo aber stecken all ihre Liebe in die Dinge, die sie tun wollen. Sie verlieren sich in Details. Sie probieren Neues aus. Sie nehmen das, was sie tun, ernst und dementsprechend fühlt man sich bei Nintendo als Kunde auch ernstgenommen. Ich rede hier übrigens nicht von der Art, wie N meine Supportanfragen bearbeitet usw. sondern davon, wie die Spiele gestaltet sind. Das sind wirklich Welten für sich, Spielmechaniken für sich, Ideen für sich. In solchen Computerspielen will ich mich verlieren, nicht in bombastisch aufgeblasenen Fantasy-Kitsch-Welten, in denen es 500 verschiedene Schwerter gibt, die letztlich alle gleich funktionieren: Angriffswert Schwert vs Verteidigungswert Rüstung = Ergebnis des Kampfes. Diese Formel ist millionenfach variierbar und deshalb ist Skyrim langweilig ohne Ende. Eine gute Idee ist eine Beschränkung auf das Wesentliche, sie bedarf keiner 1000 Variationen. Die Variation entsteht dann beim Spielen, durch den Spieler. Und deshalb bleibe ich bei Nintendo und deshalb glaube ich, dass diese Nintendo überleben wird – Kunden spüren es, wenn sie ernstgenommen werden und das ist bei Nintendo der Fall.

 

 

 

 

Feyd und die Telespiele

[Update 26.06.2014]

In diesem Artikel  packt ein F2P-Insider aus und illustriert somit eindrücklich die Aussagen in diesem Interview.

[Update Ende]

Herr Braybrook, was haben sie seit ihrer Skyrim-Tirade gespielt?

 

Jedenfalls keine sogenannten „Open-World-RPGs“ mehr. Die Gründe habe ich ja genannt, aber ich will sie nochmal kurz zusammenfassen: ein durchaus großer Kaugummi aufgebläht zu einem Mega-Riesen-Kaugummi hat genauso wenig Geschmack wie der 3 Tage alte Kaugummi meines Tischnachbarn in der Schule.

 

Igitt. Also was hat Ihnen denn eigentlich Spass gemacht?

 

Ich habe auf der Wii U „Zelda – The Skyward Sword“ (folgend: ZSS) durchgespielt (im Wii-Modus). Dann „Zelda – A Link Between Worlds“ (folgend: ZALBW)auf dem 3DS. Ausserdem spiele ich nach wie vor Flash Galcon (runterscrollen) und (leider) Die Stämme (folgend: DS).

 

Erläutern Sie.

 

Telespiele entwickeln sich zum Teil in eine bestimmte Richtung, die mir missfällt. Damit meine ich insbesondere die Merkmale „endlos“ und „jederzeit“. Bei solchen Spielen stehen meist kommerzielle Interessen im Hintergrund.

 

Zunächst aber erstmal zum Positivbeispiel Zelda: es ist im Prinzip zwar immer wieder dieselbe Spielmechanik, jedoch tut dies nichts zur Sache, da eigentlich jedes Abenteuerspiel dieselbe Spielmechanik hat. „Werde zu einem mächtigen Helden, besiege den Bösen und befreie die Prinzessin. Bis dahin erkunde Geheimnisse, finde Schätze und verbessere deine Fähigkeiten.“. Zelda sticht deshalb aber aus dem Genre heraus, weil sich diese Mechanik in einer nahezu perfekten Dramaturgie befindet. Jeder Meilenstein im Spielfortschritt ist wohlplatziert. Da macht es wenig aus, dass dieser im Grunde linear ist. Damit man aber seinen freien Erkundungsdrang ausleben kann, kann man mit jedem neu erworbenen Gegenstand bisher unerreichbare Teile der Spielewelt erkunden. Darum stört es auch nicht, dass man in jedem Teil der Serie den Bumerang oder den Enterhaken findet, denn die Gegenstände in herkömmlichen Action-Adventures heissen zwar immer anders und sehen auch immer anders aus, sind im Prinzip aber dasselbe, denken Sie nur mal an die Rüstungen bei Skyrim. Ganz besonders geflasht war ich von der neuen Fähigkeit, mich auf die Wand projizieren zu können (ZALBW). Damit hat man der Serie mal wieder richtig frischen Odem eingehaucht und als Spieler hat man dem Titel in keiner Weise übelgenommen, dass er in einer nahezu bekannten Umgebung gespielt hat.

 

RVL_ZeldaSS_08ss15_E3Schwerter gegen Monsterscharen? Auch in ZSS hat man neben dem Master-Schwert etliche Alternativen. Hier: die Schleuder.

 

Wie ist das mit Flash Galcon?

 

Flash Galcon kann man sich als eine Art action-orientiertes Risiko im Weltraum vorstellen. Gespielt wird in Echtzeit gegen reale Gegner. Man sieht eine Planetenkarte auf dem Bildschirm, wobei jeder Spieler einen Planeten bekommt, der pro Minute 100 Schiffe produziert. Per Mausklick werden dann Schiffe auf andere Planeten geschickt, per Mausrad oder Tastatur stellt man auf einfache Weise den Prozentsatz der zu entsendenden Schiffe ein. Treffen die Schiffe auf dem feindlichen Planeten ein, erfolgt eine simple Subtraktion. Schicke ich also 60 Schiffe auf einen Planeten, der beim Eintreffen 50 Schiffe hat, habe ich diesen erobert und er nimmt meine Farbe an.

 

galcon01Rot traut sich was: Gelb greift mit Übermacht an, dennoch schickt Rot seine gesamte Vetrteidigung nach Nordost. Aufgrund der hohen Verluste wird Gelb von Cyan oder Weiß nach diesem Phyrros-Sieg geschlagen werden – bei Galcon gibt es Wege, den Überlegenen durch Teamarbeit zu besiegen.

 

Klingt nach Risiko.

 

Ja, aber: das Tolle an Galcon ist, dass alles sehr schnell geht. Eine Runde geht je nach Teilnehmerzahl zwischen 30 Sekunden und höchstens mal 4 bis 5 Minuten. Da gibt es kaum Frust, selbst, wenn man verliert. Man fängt einfach von vorne an. Bei Risiko ist im Grunde fast alles nach dem Verteilen der Länderkarten gelaufen. Deshalb hat man gewisse Zufallselemente wie das Würfeln und unterschiedliche Aufträge ins Spiel gebracht und das entwickelt sich zum Nachteil. Sitzt man als Beginnender mit 3 Ländern in Australien, ist das Spiel fast schon gelaufen. Dann holt man sich durch das Erobern eines Landes den gesamten Kontinent und kann sich mit den zusätzlichen 2 Armeen in der nächsten Runde völlig einbunkern.

 

risiko_kampf_3Das „Australien-Syndrom“: Wenn Gelb gegen Blau gewinnt, gibt es kaum noch eine Chance, diese Situation zu ändern – Risiko ist eigentlich toll, hat aber ein echtes Problem mit der Chancenverteilung zu Beginn des Spiels.

 

Ich sehe auf dem Galcon- Screenshot aber ebenfalls unterschiedliche Szenarien mit teils weniger vorteilhaften Positionen auf dem Bildschirm.

 

1. Man kann dieses Anfangsproblem oft mit ein wenig Geschick beim Umlenken der Schiffe (ja, geht) ausgleichen – also Täuschungsmanöver starten, so dass der Gegner sein „Australien“ schutzlos hinterlässt, um einen anderen Planeten zu schützen.

 

D.h. Geschicklichkeit ist ein Faktor bei Galcon?

 

Richtig. Es ist ein Actionspiel, welches aber mathematischen Regeln folgt. Der stärkste Spieler kann seine Übermacht verlieren, wenn er sich dumm anstellt und in die volle Offensive geht. Und wenn man unterlegen ist, hat man dennoch eine gewisse Chance, sofern man ein wenig Geschick im Umgang mit Maus und Tastatur besitzt: man muss seine wenigen Armeen sorgfältig einsetzen, dann kann man damit auch einen stärkeren Spieler schlagen.

2. Es gibt kein Würfelglück bzw. -pech. Wenn ich mit einer Übermacht angreife, bekomme ich den Planeten, basta. Wer erinnert sich nicht an die äusserst frustrierenden Erlebnisse bei Risiko, wenn ein völlig unterlegener Mitspieler Dutzende der eigenen Armeen aufgerieben hat, einfach nur aufgrund von Würfelglück?

3. Zuletzt bilden sich bei einer scheinbar aussichtslosen Situation immer Koalitionen auf Zeit – denn der große Fisch ist ein Problem für alle kleineren Fische. Getreu dem „Swimmy“-Prinzip schliesst man sich also zusammen zum Zwecke des Aufbrechens der Hegemonialmacht.

4. Schliesslich ist nichts wirklich Schlimmes passiert, wenn man trotz aller Mühen den Hegemon nicht knackt, denn eine Runde dauert für gewöhnlich nicht länger als ein paar Minuten. Das Spiel macht Spaß, ist voller Aktion und neuer Situationen und wenn man verloren hat, fängt man einfach ein Neues an – es geht ja nur 1 – 3 Minuten. D.h. es ist gut möglich, den Zufallsfaktor „Anfangsposition“ durch eine entsprechend hohe Anzahl von Spielen auszugleichen, da man nicht viel Zeit dafür verbrät.

 

swimmy Kooperation als typisches Verhalten von Säugetieren bewirkt in menschlichem Spiel die Umkehr systemischer Verhältnisse: der Starke ist überwindbar, wenn die Schwachen zusammenhalten.

 

Der Spieler befindet sich bei Galcon ständig in der Schwebe zwischen Herausforderung und Beherrschung. Endlose Demotivation gibt es kaum, es sei denn, man gerät mal an einen Cheater, der sich einfach in einem zweiten (dritten, vierten) Tab Klone schafft, mit denen er abwechselnd die anderen angreift. Aber auch da finde ich Gutes in Galcon: der allzu oft beschworene soziale Aspekt in Online-Spielen führt dazu, dass sich die Spieler im unten eingeblendeten Chat über die Lage austauschen, zusammenschliessen und gemeinsam den Cloner bekämpfen, was dann fast noch mehr Spass macht als herkömmlich zu gewinnen.

 

Aber auch beim herkömmlichen Spiel ist es immer wieder eine besondere Freude, durch Zusammenarbeit ein scheinbar verlorenes Spiel zu kippen. Oder Nebenkriegsschauplätze zu provozieren, um sich dann von der anderen Seite her an den Kuchen zu machen. Das ist soziale Interaktivität im reinsten Sinne.

 

Sie sagten, sie spielten „leider“ DS.

 

Tja, vergessen Sie bei diesem Online-Browser-Spiel alles, was ich in bezug auf soziale Interaktion bei Galcon gesagt habe. Die Stämme bringt die schlechtesten Eigenschaften in sozialem Miteinander hervor. Ich hatte es einmal angefangen und dümple nun unterlegen so vor mich hin.

 

Sind Sie von der „Spiele-ohne-Gewinner“-Fraktion?

 

Überhaupt nicht. Auch ich spiele, um mich mit anderen zu messen und selbstverständlich spiele ich so, dass ich möglichst gewinne. Allerdings muss das Spiel so gestaltet sein, dass der Spieler gewinnt, der es am besten beherrscht. Das Können muss belohnt werden, nichts anderes. Ich muss also eine Chance haben. Bei DS ist es anders. Zunächst mal will ich es kurz erklären:

Man leitet ein Dorf, dass man in typischer Aufbaustrategie-Manier durch den Einsatz von Rohstoffenverbessern kann. Rohstoffe stellt man selbst her, kann diese aber auch von servergenerierten „Barbarendörfern“ farmen. Letztere sind meistens defensivlos und dienen im Grunde der Aufstockung der Rohstoffvorräte. Letztendlich geht es aber darum, andere Spieler zu bekämpfen. Dies kann man alleine, sollte es aber zusammen mit anderen tun. Dazu kann man sich mit diesen in Stämmen (daher der Name) verbünden.

Das Spiel ist Free-to-Play, allerdings kann man, wie bei dieser Art Spiel üblich, durch Einsatz von Geld allerlei „Spielerleichterungen“ dazukaufen (Premium-Account, folgend: PA). Diese Bezeichnung täuscht darüber hinweg, dass es eigentlich gewöhnliche Spielfeatures sind.

 

Bei F2P stehen grundsätzlich allen Spielern alle Features zur Verfügung.

 

Ja, aber in unterschiedlicher Qualität.

Der größte Nachteil bei DS ist der Faktor Zeit. Das Spiel fängt zunächst flott an, wird aber schnell dermassen langatmig, dass man nicht mehr von einem Spiel reden kann. Beispiel: der Ausbau des Walls von Stufe 1 auf 2 dauert 1 Minute.

 

Soviel Zeit habe ich.

 

Der Ausbau desselben Gebäudes von Stufe 19 auf 20 hingegen nimmt ca. 10 Stunden in Anspruch. Bei anderen Gebäuden wie dem Bauernhof dauert der Ausbau auf der höchsten Stufe schon mal 26 Stunden und mehr. D.h., man kann morgens um 8 den Ausbau des Bauernhofes in Auftrag geben und wartet dann bis zum nächsten Tag um 10 Uhr, bis man den Bauernhof auf der höheren Stufe nutzen kann. Als Spieler ohne kostenpflichtigen Premium-Account kommt erschwerend hinzu, dass man insgesamt nur 2 Bauaufträge in der Warteschleife haben darf. Das ist mit einem PA natürlich anders: mit diesem kann man PA-Punkte einsetzen, um die Bauzeit mal eben einfach zu halbieren, so oft man will. Auf diese Weise kann man auch die Rohstoffproduktion erhöhen. Kurz, es handelt sich hierbei um einen Ettikettenschwindel: klar, man kann DS theoretisch ohne Geld spielen, aber die Überlebenschancen gegenüber Spielern mit PA sind so gut wie nicht gegeben. Der Unterschied zwischen Gewinnchance mit und ohne PA ist gewaltig. Spieler, die Geld investieren, ziehen in kürzester Zeit ihre Dörfer hoch – während man selbst noch Wochen von deren Fortschritt entfernt ist. Kleine Erklärung mit Screenshot:

 

staemme

1.: heute ist der 28. März, 16.08 Uhr. Um mehr Einheiten rekrutieren zu können, muss ich meinen Bauernhof ausbauen. Das geht in diesem Fall 22 Stunden (2.) – also bis 29. März, 14.08 Uhr. Überhaupt produziere ich Rohstoffe so langsam, dass ich für den Ausbau erst am 11. April bereit bin (3.). Das sind dann mal eben 2 Wochen. Das heisst also, ein paar Wochen warten und Rohstoffe horten, um dann endlich den Bauernhof und die vielen anderen Gebäude auszubauen? Nichts dergleichen. Nur zwei Bauaufträge darf man im Voraus planen (4.). Konsequenz: entweder man kümmert sich zu den unmöglichsten Zeiten um den Weiterbau (hier: Freitag Abend um 21.55 Uhr – da habe ich ja nichts Besseres vor) oder man lässt die Arbeit liegen. Und verliert noch schneller. Es sei denn, man investiert echtes Geld in einen Premium-Account. Damit kann man z.B. die Ausbauzeit mal eben um die Hälfte verkürzen (6.). Dabei ist es aber egal, wie viel Geld man investiert – irgendwann verfällt der PA. Also entscheiden sich tausende von Spielern dafür, für einfachste Spiel-Features immer wieder zu bezahlen. Nur, um nicht Freitag Abends um 21.55 Uhr (und es gibt schlimmere Zeiten…) Bauernhöfe in einem Browserspiel ausbauen zu müssen.

 

Warum spielen Sie dann überhaupt noch?

 

Dazu muss ich sagen, dass ich DS nur noch sporadisch spiele. Ich habe damit angefangen, weil ein Kumpel mich eingeladen hatte. Aber eigentlich überlasse ich mein Dorf dort dem Schicksal und schaue nur noch selten rein. Wenn es erobert wird, ist das eben so und ich bin sogar ganz froh, wenn das zuende ist. Aber zu dieser Einsicht muss man erst einmal gelangen. Bis dahin investiert man recht motiviert einiges an Zeit, denn der Einstieg wird einem leicht gemacht, die Menus sind übersichtlich. Aber der Ausbau eines Dorfes mit Adelsgeschlecht – durch das man überhaupt erst in der Lage ist, andere Dörfer zu erobern – dauert ohne Einsatz von Geld einige Wochen. Und das Spiel macht ja erst ab dann eigentlich Sinn. Wird nun das mühsam eroberte Barbarendorf von einem PA-Besitzer mit Leichtigkeit plattgewalzt, ist all die Mühe der vergangenen Wochen dahin. In so einer Situation will man natürlich alles tun, das Dorf zurückzuerobern, aber ohne PA hat man schlicht keine Chance. D.h.: vom Hersteller InnoGames werden bewusst ahnungslose Neuspieler in diese Situation gebracht und angefixt. Durch die Zeit, die man investieren muss, findet eine enorme Identifikation statt. Jedoch startet man im Grunde von Anfang an ohne jegliche Chance, denn der Einstieg ins Spiel ist fortlaufend möglich und es gibt somit etliche Spieler, die einem um Wochen und Monate voraus sind. Das ist so, als würde man in ein Risiko-Spiel, das bereits seit mehreren Runden läuft, mit 3 Armeen pro Runde einsteigen. Und selbst, wenn man zu Beginn einer neuen Welt einsteigt, haben Spieler mit PA schnell die Nase vorn, denn deren Dörfer sind im Nu soweit ausgebaut, dass sie überlegen sind.

 

Wollen sie dieses Geschäftsmodell verbieten?

 

Das kann ich nicht. Aber DS gehört für mich eher in die Kategorie Glücksspiel denn sonst in eine Kategorie.

 

Wie meinen sie das?

 

Nun, es gibt eben Spiele, die in sich geschlossen den Zweck erfüllen, eine Art Wettkampf darzustellen. Dabei ist es wichtig, Chancengleichheit bereitszustellen, denn nur so kann man am Ende stolz auf den Sieg sein. Man hat dann nämlich durch sein (möglichst geschicktes) Verhalten bewiesen, dass man etwas auf dem Kasten hat. Bei DS gewinnt für gewöhnlich derjenige, der die meiste Kohle investiert.

 

Woher wollen sie das wissen?

 

Es gab aber ein paar Leute, die sich extrem dumm verhalten haben. Deren Angriffen ich ungeachtet ihrer Übermacht ein ums andere Mal standgehalten habe. Da sitzt man dann da und fragt sich, wie es sich solche Spieler leisten können, ihre gesamte Offensive auf dümmste Art zu verbraten und wieso die trotzdem so viele Dörfer besitzen und immer weiter dieselben dummen Fehler machen… die Antwort ist einfach. Die stecken massenhaft Kohle in dieses Spiel, da macht es nichts aus, wenn Angriffe in herben Niederlagen münden. Je nachdem, wie viel Geld man da reinsteckt, ist der „Neuaufbau“ einer Offensive ein Kinderspiel.

 

Sie sprachen von weiteren schlechten Eigenschaften, die DS hervorbringt.

 

Teamgeist kann man bei DS vergessen.

Einnern Sie sich an „Galcon“: die unterlegenen Spieler schliessen sich gegen den Hegemon zusammen, um zu vermeiden, dass er alles dominiert. Teamwork ist eine typisch menschliche Eigenschaft. Sie hat viel mit Kommunikation, Beobachtung, Kreativität und Intelligenz zu tun und all das braucht man, um bei Galcon zu überleben. Bei DS ist das Gegenteil der Fall: die Spieler tun so gut wie nichts, um zusammenzuarbeiten.

Das ist doch nicht wahr: der Unterlegene wird oft von vielen anderen angegriffen, auch, wenn diese nicht nur einem Stamm angehören. Und das passiert bei Galcon doch auch!

Ja, aber im Falle Galcon passiert das erst, wenn der Spieler völlig am Ende ist. Bis dahin schliessen sich die Unterlegenen automatisch zusammen. Vielleicht hilft dabei die grafische Darstellung und die Geschwindigkeit, in der man dem Hegemon beim Wachsen zusehen kann. Jedenfalls ist den anderen schnell klar: entweder, wir schliessen uns zusammen, oder wir sind alle dran. Bei DS ist es anders. Man hockt in seinem Dorf und versucht, Unterlegene zu besiegen oder sich defensiv einzubunkern. Man tut alles, nur eines nicht: den Hegemon angreifen, mit anderen kooperieren, Strategien austüfteln. Also immer nach dem Prinzip: nach unten treten, nach oben kriechen. Man tut so, als wüsste man nicht, dass der „Friede“ nur ein Friede auf Zeit ist – anstatt das Prinzip „großer Fisch frisst kleine Fische“  auszuhebeln, frisst man selbst die kleinen Fische auf, in der Hoffnung, einmal der größte Fisch zu werden. Dumm nur, dass man, je fetter man wird, umso interessanter für den ganz großen Fisch wird. Das ist kurzsichtig.

Beispiel:

Die Situation in meiner Gegend war bereits verfahren, als ich angefangen hatte. Ein bestimmter Stamm, „Zusammen einzigartig“ (folgend: ZE), entwickelte sich zum Hegemon. Sobald einzelne Spieler oder kleinere Stämme zu wachsen begannen, wurden sie plattgemacht. Das Spiel war also im Grunde gelaufen. Nun hatte ich die Idee, die Kräfte einzelner Spieler in einem Stamm zu bündeln sowie andere kleinere Stämme zu sowas wie einer Art Revolution zu bewegen. Ich schrieb also einige Mails und hatte schnell viele Leute im Boot – dachte ich. Als es dann aber soweit gewesen wäre, gleichzeitig anzugreifen, zog einer nach dem anderen den Schwanz ein. Die Ausreden waren immer die gleichen – hab kaum Offensive, bin mit Aufbau beschäftigt. Vereint hätte man ZE also niederringen können und alles andere wäre sowieso sinnlos gewesen, da es kein Nebeneinander in diesem Spiel gibt. Stattdessen haben die vielen kleinen Einzelspieler zu sehr an das Überleben am nächsten Tag gedacht.

 

Klingt vernünftig. Vorsorgen für den nächsten Tag.

 

Ist nur leider überhaupt nicht vernünftig, wenn man dadurch den Hegemon weiter stärkt und er dann am übernächsten Tag kommt und einen plattmacht.

Das ist also exakt so wie im echten Leben. Maulhelden gibts viele, aber wenns darauf ankommt, zieht aus Eigeninteresse kaum einer mit.

 

Das ist nun mal so im Leben.

 

Ja, aber muss das in Spielen dann auch so sein? Spiel ist ein Kulturgut, es bringt uns dazu, eine ideale Art von Verhalten zu ermöglichen – wenn ich König wäre, würde ich ein Land auf diese Weise regieren – wenn ich Angehöriger eines unterdrückten Stammes wäre, würde ich eine Revolution anzetteln, einen Schlachtplan ausarbeiten, einmal Braveheart sein usw. Das macht deshalb Spass, weil man weiss, dass man es ungeschadet ausprobieren, spielen darf. Und trotzdem, obwohl es nur ein Spiel ist, fesselt es uns und führt bestenfalls sogar zu einem Eintauchen in eine Spielwelt. Es lässt uns Erfahrungen in verschiedenen, sonst vielleicht unerreichbaren Rollen machen. Bei DS finden wir uns in der Rolle wieder, die uns in unserem langweiligen Leben schon nervt: entweder mit dem Hegemon (kann z.B. der Chef sein) arrangieren oder von diesem plattgemacht werden.

 

Sie reden von den Verlieren, den Unterlegenen – weil sie unterlegen waren? Was ist mit den Siegern? Ich nehme an, die werden Ihr Spielgefühl nicht teilen.

 

Das sind keine Sieger. Sie erkaufen sich einen Status in einer Spielwelt, weil das bisschen Geld, das sie in der echten Welt haben, in der Spielewelt viel verändert. Dazu sind Spiele nicht da – deren „kleines Abbild dieser Welt“ bedeutet ja nicht, dass man Dinge (hier : Geld) aus der echten Welt dazu nutzen darf, Größe im Spiel zu erlangen. Das ist Käse. So, als würde ich Monopoly spielen und mir mit echtem Geld ein Nachfüllpack Monopoly-Geld kaufen. Im Spiel fängt man quasi von vorne an, sonst macht das überhaupt keinen Sinn. Da kann man tausend andere Beispiele finden: der große Bruder, der beim Fussballspielen sowohl Teil einer Mannschaft als auch Schiedsrichter war. Sowas geht nicht, entweder ist man Spieler unter Spielern (und bereits da hat man einen Vorteil als großer Bruder) oder man ist Schiri. In Spielen müssen Rollen klar definiert sein und diese wiederum müssen unabhängig vom realen Dasein ausgespielt werden dürfen. Ein schlechtes Spiel macht aber genau das möglich: es gibt einen Spielvorteil durch den Status (oder das Geld) aus dem echten Leben.

Das ideale Spiel schafft eine eigene Welt, in die der Spielende nichts mitnimmt, was seinen realen Status beeinflusst. Der Gedanke, der dahintersteckt ist der der Chancengleichheit – Menschen, die im echten Leben zu „Verlieren“ gehören, können einen im Spiel schlagen. Haben sie schon mal Schach gegen einen der alten Arbeiter im Park gespielt? So schnell können sie gar nicht schauen, wie manche von denen sie Schachmatt setzen. Wenn das Schachspiel nur durch geistige Leistung zu gewinnen ist, müssten diese Leute also Doktoranden sein.

 

Stattdessen gehören sie zu den Verlierern?

 

Nur, wenn man in wirtschaftlichen und Status-Kategorien denkt. Deren Verdienst ist relativ gering, der Status als Arbeiter wohl auch, glücklich sind sie womöglich trotzdem. Und im Spiel beweisen sie, dass sie unter anderen Bedingungen

 

…idealen Bedingungen…

 

Spiele sind gehen immer von einem Idealfall aus. Also unter anderen, idealen – man könnte auch sagen gerechten –  Bedingungen wären die Machtverhältnisse in dieser Welt anders geartet.

 

Was macht der glückliche Feyd Braybrook, um mit DS klarzukommen.

 

Da bleibt eigentlich nur eines übrig: Account löschen. Oder die Revolution.

 

Das wird nicht gelingen, so wie sie die Situation beschrieben haben.

 

Dann habe ich es ZE bis zu meinem Ableben aber schwer gemacht. Ich erobere („adle“) Barbarendörfer, die die dann wieder plattmachen müssen. Dazu brauchen sie Geld. Also verursache ich denen Kosten.

 

Seien sie nicht so verbittert. Es mag ja stimmen, das DS ein blödes Spiel ist, aber wenn sie das als Plattform für ihre persönliche Rache nehmen, sind sie ein Teil des Systems – denn ändern werden sie die Situation nicht und alles, was das System nicht ändert, stützt es – Ihre Worte.

 

Da haben sie ausnahmsweise mal recht. Aber vielleicht bewege ich den einen oder anderen Süchtigen dazu. aus DS auszusteigen.

 

Keine Chance. Sie sind gefangen in ihrem persönlichen Krieg gegen das System und das leben sie bei DS aus. Da unterscheiden Sie sich nicht von jenen, die Geld investieren. Bei Ihnen ist es Zeit.

 

Wenig Zeit.

 

Egal, wieviel. In dieser Zeit könnten Sie bloggen. Geistreiches über Spiele schreiben. Spazieren. Irgendwas, nur nicht dieses Geklicke auf totem Grund.

 

Sie haben Recht. Die Motive sind austauschbar. DS zu spielen heisst, DS zu unterstützen – egal, ob mit oder ohne Geld. Ich lösche heute meinen Account und danach spiele ich wieder was Sinnvolles. Zelda zum Beispiel. Das hat einen klaren Anfang und ein klares Ende.

 

So wie dieses Interview.

 

Jepp.

 

Herr Braybrook, schönen Danke für das Gespräch.

 

Gerne.

 

Nachtrag 24.03.2014:

Wie sich herausgestellt hat, hat „Big Uschi“, ein angeblicher Spieler von ZE, unerlaubte Bots benutzt, um seinen Spielfortschritt zu beschleunigen. Aufgrund dieser Vorgänge wurde er gesperrt und alle seine Dörfer zu Barbarendörfern umgewandelt. Somit ergibt sich ein weiterer Beweis für die These, dass dieses Spiel negative Eigenschaften bnei Spielern hervorruft. Im folgenden der Rundbrief von InnoGames im originalen Wortlaut:

 

„Liebe Spielerschaft,

derzeit sind einige Spieler verunsichert und fragen bei uns nach, welche Skripte erlaubt sind und welche nicht. Daher wollen wir das für alle klarstellen:

Erlaubt sind nur die Skripte, die in der Skriptdatenbank gehostet sind, und auch nur in der Form, in der sie aus dieser heruntergeladen werden können. Wer in den letzten Tagen nach dem Update den vollen Code in seine Schnelleiste gesetzt hat oder als Userskript verwendet, muss das binnen 24 Stunden wieder auf die Initierungsskripte aus der Datenbank umstellen.

Alle anderen Skripte, die nicht in der Skriptdatenbank aufgeführt sind, sind verboten und führen zu Sperren und hohen Strafen.

Im Zweifelsfall ist der Support zu befragen.

An diesem Punkt noch eine Anmerkung zu den seit Ende letzter Woche gehäuft auftretenden Sperrungen wegen verbotener Hilfsmittel:

Wer sich im Spiel illegaler Hilfsmittel (unerlaubter Skripte, Bots, Exploits, etc) bedient oder bedient hat, wird hierfür entsprechend hart bestraft. Die Spielleitung führt derzeit eine groß angelegte und sehr koordinierte Operation durch, bei der Spieler, die sich eines speziellen unerlaubten Hilfsmittels bedient haben, gesperrt werden. Bisher wurden bereits mehrere hundert Accounts gesperrt.
Es liegen in diesen Fällen eindeutige technische Belege vor, die die Nutzung der verbotenen Hilfsmittel aufzeigen.
Dieses Hilfsmittel war schon immer verboten und der Vorgang steht in keinem Zusammenhang mit der Skriptdatenbank bzw. der oben aufgeführten eventuell vorhandenen Unsicherheit was die Skripte allgemein betrifft.

Als Betreiber ist InnoGames natürlich sehr darauf bedacht, dass das Spiel für alle Beteiligten möglichst fair abläuft. Wer sich verbotener Hilfsmittel bedient, verstößt ganz klar gegen dieses Prinzip und tut letztlich weder sich, noch seinen Mitspielern einen Gefallen.
Diskussionen über Sperrungen im Forum sind laut den Forenregeln nicht gestattet und werden daher auch nicht geduldet. Prinzipiell können gesperrte Spieler einen Widerspruch gegen ihre Sperrung beim Support einlegen.

Wir möchten an dieser Stelle nochmals eindringlich alle Spieler darauf hinweisen, dass die Spielleitung in solchen Fällen sehr hart durchgreift und natürlich auch Verstöße in der Vergangenheit ahndet.

In diesem Sinne: Spielt fair!

Euer
DS-Team“

Der große Bruder und der Joystick

1984, ein kurzer Rückblick:

die Eurythmics steuern den Soundtrack zur Verfilmung von George Orwells Dystopie „1984“ bei, in der „der große Bruder“ an der Spitze des totalitären Überwachungstaates „Ozeanien“ steht.

Die UdSSR findet ebenfalls einen neuen großen Bruder: nach der kurzen Amtsperiode Tschernenkos wird Andropow neuer Chef der KPdSU, und er wird noch kürzer als sein Vorgänger im Amt und am Leben bleiben. Vom Tod Andropows zum Kollaps des weltweiten Konsolenmarktes:

im Jahr zuvor ist dieser desaströs untergegangen (Ausnmahme: Japan), und die Kids wenden sich in ihrer Freizeit den 8-Bit-Heimcomputern zu. Und jetzt sind wir wieder beim „großen Bruder“, meinem großen Bruder. Der bekommt nämlich den erfolgreichsten 8-Bit-Computer aller Zeiten zu Geburtstag, Weihnachten und nochmal Geburtstag, einen Commodore 64. Aber der Reihe nach:

Im Juni 1984 komme ich heim aus Bad Wurzach, wo ich das Salvatorkolleg besuche. Ein modernes, gutes Internat, aber da will ich nicht sein. Nur jedes 2. Wochenende nach Hause und ich war bisher nie länger als einen Tag weg…

Mein zweitältester Bruder K. schwatzt meinen Eltern einen C64 ab, mit den üblichen (Schein-)Argumenten: Programmieren lernen, für die Schule nutzen… in Wirklichkeit geht es schlicht und ergreifend um Computerspiele. Darauf nimmt diese Anzeige in der Happy Computer (damals noch „Hobby Computer“, aus Angst vor einem Rechtsstreit mit einer anderen Zeitschrift dann umbenannt) bezug:

HobbyComputer831100119In den End-siebzigern / Anfang-80ern war „Atari spielen“ ein Synonym für Konsolen-/Computerspielen allgemein, da Atari mir seinem 2600-System den Markt dominierte (Quelle: HobbyComputer / Happy Computer, 11/1983)

Ich kenne in den folgenden 5 Jahren so gut wie niemanden, der mit dem C64 programmiert. Genau 2 Leute in meiner Umgebung programmieren – auf dem CPC 464 im Karstadt und wie sich Jahre später herausstellt, programmiert Micha, während Jo dessen Programme als die seinen ausgibt. Alle anderen zocken. Paradroid, Impossible Mission, Ghost ´n´ Goblins, Raid over Moscow, Bruce Lee… ich zocke 1986 / 1987 Druid wie blöde und 20 Jahre später schreibe ich den Artikel des Monats (fast des Jahres, 2. Platz) auf C64-Wiki – mein erster und letzter Artikel. Ich bin Druid-Fan, kein Wikipedianer. Die Spiele werden zu 90 % kopiert, ganz so wie Musik heute (bei mir ist es andersrum: 90 % meiner Musik ist gekauft). Anfangs hilft die enorme (illegale) Distribution der Nischen-Branche, über die professionelle Medien kaum berichten. Später, als sich Heimcomputer und Spiele etablieren und dank der Marktexpansion die Entwicklungskosten höher werden, führt die Kopiererei oft zur Pleite manch mittleren Software-Hauses.

Druid04Feinde bezwingen, Schätze horten, Magie anwenden: bei Skyrim, Diablo oder WOW gibts auch nichts wesenlich Neues, allerdings ist die 8-Bit-Grafik ungemein besser als jene der neueren Vertreter: Druid auf dem C64 (Quelle: eigene Darstellung)

Noch weiss man nicht, wer das Rennen auf dem 8-Bit-Computermarkt macht und der C64 ist zunächst nichts weiter als ein Kandidat neben Ataris 800 XL oder Schneiders CPC 464.

Mein Bruder schließt den unter Fans liebevoll „Brotkasten“ genannten C64 an den Fernseher an und ich sehe Folgendes:

C64_startup_animiert(Quelle: Wikipedia)

Ich tippe irgendwas rein, drücke „Return“ und bekomme den ersten Syntax Error? meines Lebens. Dann tippt K. inetwa folgendes BASIC-Listing rein:

10 PRINT“K. IST COOL   „;

20 GOTO 10

Anschließend läßt er das Programm mit „RUN“ laufen und der Bildschirm füllt sich damit:

listing2(Quelle: CCS64 im Halbzeilenmodus)

Der Computer versteht ihn. Ich starre begeistert auf die willig vollführte Endlosschleife, ohne zu wissen, was man damit eigentlich anfangen können soll. Von dem „Donkey Kong“-Automaten im Edeka ist das noch weit entfernt. Fürs erste aber reicht es: ich bin beeindruckt. Aber kurz darauf bezichtige ich Commodore des Betrugs, weil man, um mit dem C64 spielen zu können, Software und einen Joystick benötigt! Du zahlst für das Ding 800 DM und das reicht noch nicht zum Spielen… einen Fernseher kaufst du und kriegst das Programm (also damals die drei Sender ARD, ZDF und SWR…) kostenlos dazu.

K. zeigt mir die entsprechenden Seiten im Quelle-Katalog und ich bin völlig fertig… ein Joystick kostet damals um die 100 DM, Spiele auf Kassette 50 DM… für eine Familie mit 6 Kindern außer Reichweite. Doch kurze Zeit später ereignet sich ein Wunder:

Ein Bekannter der Familie schenkt K. 150,- DM, einfach so. Er hatte sich Jahre davor nie gemeldet und tut dies auch danach nie wieder, aber genau jetzt macht er es: es gibt einen Gott im Himmel und gnädig schickt er seinen Segen auf uns herab.

K. investiert das Geld sofort in einen Joystick und ein Spielmodul (50 oder 60 Mark): Lazarian. Wir kaufen das Spiel blind. Die Medien schweigen das Thema Computerspiele noch weitestgehend tot oder berichten halb angeekelt, halb amüsiert über die „Freaks“, die abwesend in Bildschirme starren und hin und wieder plötzliche Freude- oder Unmutsäußerungen von sich geben. Sowas wie Spiele-Zeitschriften gibt es nicht, und bis zum Internet-Boom werden noch locker 10 Jahre vergehen. Entweder kennt man also ein Spiel von Kumpels, oder man versucht sein Glück aufgrund evtl. vorhandener Screenshots auf der Verpackung. Im Falle Lazarian ist es eher ein Glücksfall. Kein Burner, aber für damalige Verhältnisse OK. Das Spiel ist also ein Modul. Moment mal, ein Modul für einen Heimcomputer?

lazarianmodulEtwa so groß wie eine Zigarettenschachtel: die Module für den C64.

Obwohl der Erfolg von Heimcomputern durch ihre Speichermedien Kassette / Diskette begründet wird, glaubt man 1982 noch, Modulschächte einbauen zu müssen. Das führt dazu, dass solche Module heutzutage bei Ebay 10 € und manchmal mehr erzielen. Immer noch.

lazarian_03Unser erstes Computerspiel: Lazarian. Ich wette: wenn ich mich heute dransetze, schaffe ich es mindestens einmal durch. Seltsam: ein Extraleben gibts bei 14000 Punkten, nicht bei 10000, 15000 oder 20000. Kein Mensch weiß, warum (Quelle: Lemon64).

Bevor wir also kassettenweise Spiele bei Kumpels kopieren, kaufen wir noch ein weiteres Modul, Radar Rat Race. Mit diesen ersten beiden Spielen verbringen wir Wochen. Dann kommt eine Datasette (irgendwas um 150 DM) ins Haus und die alten Biene-Maja-Hörspiele müssen dran glauben: auf der ersten Ladung (von „Thomas“, einem  Freund meines großen Bruders, den ich nur dem Namen nach kenne und der synonym für „Spiele-Quelle“ steht) befinden sich „Turbo Tape“ und 8 Spiele, u.a. Donkey Kong, Moon Shuttle, O´ Reillys Mine. Wichtig sind damals nicht Rankings oder Fähigkeitenbäume – wichtig ist damals der High Score und das nächste „Bild“: Moon Shuttle hat 2 Bilder, Donkey Kong hat 4 und Lazarian sogar 6! Am tollsten ist es, wenn man, wie bei Scramble oder Blue Max irgendwann zu einer Stadt kommt: viel Feind, viel Ehr´, doch eigentlich passiert in den Städten im Grunde dasselbe wie sonstwo: Feinde müssen abgeballert werden.

Anirogs „Donkey-Kong“-Clone mutet wie dessen kleiner Bruder an – wir haben es gerne gespielt (Hol dir den Hammer! Hol dir den Hammer!!!)

Bis ich die Vorzüge von Modulen wieder zu schätzen lerne, vergehen Jahre voller gerissener und verwurschtelter Kassettenbänder, Spurlagenproblemen und zerknickter, aufgrund Verschmutzung unbenutzbar gewordener und magnetisierter Disketten.  1993 kaufe ich mir ein Super Nintendo und bin glücklich. Einstecken, einschalten, spielen. Doch zurück ins Jahr 1984.

Nicht nur die Spiele, auch diverse Joysticks werden zuende gespielt. Die Dinger sind damals bereits äußerlich billig verbaut und innen siehts auch nicht besser aus: Schnappscheiben auf einer Platine werden eingedrückt und das heißt nach etlichen Stunden Spielzeit: die Dinger brechen und entweder gibt es keinen oder einen dauerhaften Kontakt. Heißt also: die Spielfigur bewegt sich entweder gar nicht oder dauernd in die Richtung des kaputten „Knackfrosches„.

quickshot1Weitverbreitet, oft geschrottet: der Quickshot I (Quelle: thosewerethedays.de)

Wir lösen das Problem dadurch, dass wir zuletzt auf der nackten Platine spielen und die Kontakte mit den Fingern bedienen – früher hat uns das kaum einer geglaubt, heute, in Zeiten der WASD-Steuerung, wissen wir: es geht. Als die Platine so kaputt ist, dass auch das nicht mehr geht, spielen wir nur noch Spiele, die sich mit der Tastatur bedienen lassen – davon gibt es nicht wirklich viele.

Und dann, eines Tages, aus dem Nichts:

meine Mutter zückt einen 50-Mark-Schein und hält ihn meinem Bruder hin. Er solle sich einen Joystick kaufen. Ich nehme an, sie hat Angst, dass uns ein Stromschlag ereilt, wenn wir auf der nackten Platine spielen. Welch Glücksfall! Meine Eltern halten nicht viel vom der Zockerei und wir können froh sein, überhaupt das Ding an den Fernseher anschliessen zu dürfen, geschweige denn Geld für einen Joystick zu bekommen. Und nun das…!

Ich male mir schon aus, welchen Joystick wir uns holen. Es ist 1985, gerade mal 1 Jahr nach der Anschaffung des C64, und Joysticks sind weitverbreitet (außer bei uns) dank der Konkurrenz auf dem Markt. Deswegen sind die Dinger auch stabiler und billiger. Mit 50 Mark kommt man da verdammt weit. Dabei frage ich mich schon, was als erstes gezockt wird, doch dann höre ich meinen Bruder sagen:

„Nein Mama, ich werde selbst einen Joystick aus den Resten des alten bauen!“.

K. zeigt den Prototyp: der abgekrachte Stick des Quickshot I, an dessen unterem Ende einfach nur ein Saugnapf hängt. Und das wars.

Ich bin entsetzt. Er … will … äh … WAS???

Er behauptet tatsächlich, aus den Überresten der Hülle und einem Saugnapf, den man einfach auf eine Unterlage klebt, einen vollwertigen Joystick bauen zu können… selbst ein Elektronik-Noob wie ich weiss: das kann nichts werden ohne Elektronik.

Der freiwillige Verzicht verwundert mich umso mehr, als K. der weitaus größte Freak in der Familie ist – später wird er Systemadministrator werden. Eigentlich müßte er vor Freude jauchzen, doch er lehnt ab und in diesem Moment im Jahre 1985 bricht in mir eine Welt zusammen: So schnell wird meine Mutter bestimmt kein Geld mehr für die Zockerei locker machen und sie steckt tatsächlich den Fuffi wieder ein.

Vielleicht ist es auch ein Anflug von Verantwortungsbewusstsein, dass meinen damals immerhin 17-jährigen Bruder befällt, aber wenn ich daran denke, wie er in seinen folgenden wilden Jahren noch etliche Zeit mit Automaten- und Computerspielen verbringt, schliesse ich das hiermit dann doch mal aus.

Es ist wohl eine Art kosmischer Inzidenz, irgendeine Art von Fremdsteuerung, Quaksprech oder Fahren neben der Spur, die K. zu dieser Tat treibt – nie werde ich es wohl erfahren, denn Jahre danach muss er selbst noch lachen, wenn ich ihn daran erinnere.

Sicher ist aber, dass ich später irgendwie das Geld für einen Joystick auftreibe und dann mit einem Competition Pro mit Mikroschaltern und robuster Verarbeitung alle Decathlon-Sorgen los bin. Decathlon ist ein Sportspiel, bei dem sich die Figur umso schneller bewegt, je schneller man den Joystick hin- und herrüttelt. Man nennt diese Spiele auch Joystick-Killer. David, ein Freund, erzählt mir, dass er den 1500-m-Lauf nur zusammen mit einem Freund meistert, indem jeder an die Grenzen geht, rüttelt, was das Zeug hält und dann hysterisch den anderen um Ab- und Erlösung herbeiruft. Haaach, das waren noch Zeiten … man lese dazu die Kritiken einiger User zum Spiel.

Allerdings vergeht bis zum Competition Pro noch eine ganze Weile und ich sitze da mit einem C64, auf dem eigentlich die besten Spiele verfügbar sind, nur dass ich sie nicht spielen kann – ohne Joystick.

Joystick_Competition_PROSchluss mit gebrochenen Steuerknüppeln und eingedallten Knackfröschen: der Competition Pro ist äußerlich stabil verbaut, während innen Mikroschalter am Werk sind.

Abteilung „seltsam„: mein Freund Iwan – kein Russe, sondern ein Holländer – kauft sich 1986 auch einen C64. Bei ihm verbringe ich viel Zeit. Mit Druid und ihm als Golem. Aber weil er sich DAS DA kauft,

quickshot8Der Quickshot 8 hatte, ähnlich wie eine umgedrehte Maus der zweiten Generation, einen (halben) Ball, dessen Bewegungen von 4 Schaltern verwertet werden, verbaut. Nachteil bei den Mäusen: der Ball las jeden noch so kleinen Dreck und Staub vom Tisch auf und so mußte man immer wieder die Kontakte reinigen… bis die optischen Mäuse das Problem behoben.

schleppe ich meinen Joystick immer mit. Dieser Quickshot ist ergonomisch gestyled, liegt perfekt in der Hand, sieht futuristisch aus, aber: man kann mit ihm so gut wie gar nicht spielen. Klar, Iwan kann es, denn er hat ja keinen anderen und lernt etwas, was ihn zum exotischen Künstler macht, aber Normalsterbliche wie ich schleppen ihren Joystick mit und verzichten auf das Erlernen einer seltenen Fähigkeit, mit der man auf Partys Erstaunen ohne Bewunderung erntet.

Und zum Schluss nochmal unnützes Wissen:

als sich abzeichnet, das der C64 das Rennen um die Marktführerschaft machen wird, so gegen 1985, meint Commodore, mit dem C128 den großen Bruder des C64 etablieren zu können. Das Ding hat doppelt so viel Arbeitsspeicher, 80-Zeichen-Darstellung, kann mit CP/M betrieben werden und hat einen voll kompatiblen C64-Modus. Aber der C128 setzt sich nicht durch. Die Spieler können mit CP/M nichts anfangen und die meistens seriösen CP/M-User fragen sich, warum sie sich im C64-Modus mit so was infantilem wie Computerspielen die Finger dreckig machen sollen. Schliesslich gründet der Erfolg des C64 auf seinem berechtigten Ruf als Spielemaschine. Und so wird der C128 ein Flop. CP/M ist das erste plattformunabhängige Betriebssystem und verbreitet sich Ende der 70er / Anfang der 80er rasant. Aber man verpasst den richtigen Zeitpunkt für ein Update: als zu Zeiten des C128 endlich CP/M 3.0 ein größeres Publikum erreichen könnte, hat Microsoft mit QDOS und später MS-DOS bereits den Kampf gewonnen.

Ich hingegen kaufe mir erst 1994 einen PC – dann nämlich, als man etwas Sinnvolles damit anstellen kann: spielen. Und zu diesem Zeitpunkt zum Glück ohne großen Bruder, der einen schon mal eine Runde aussetzen läßt, weil man just in jenem Moment hustet, in dem sein Mario von Donkey Kongs Tonnen zermalmt wird.

Flogging Facebook #2: leck mich, ein Leck! Piratenprobleme

Gestern ich auf facebook so…:

Piratenchef Schlömer gestern auf tagesschau.de: „Die Menschen wissen einfach nicht, wofür die Piratenpartei steht.“
Ich glaube, das wissen die Piraten selber nicht 😀

Dann verlinkt Stephan Römer auf diesen Artikel bei wecab. Wer zu faul ist, das zu lesen: youtube behauptet, die Gema würde Videos sperren, was sie schon rein technisch gar nicht kann. Sie will, das ist ja ihre Aufgabe, das Geld dafür einziehen und an die Urheber weiterleiten. Das will aber youtube nicht und lügt in bester Shitstorm-Manier das Blaue vom Himmel herunter. Jedenfalls hat nun der Stern gemeint, ganz witzig sein zu müssen und eine Bilderstrecke mit Fake-youtube-Meldungen gepostet. Beispiel:

„Dieses Video ist in Deutschland wegen der maßlosen Gema-Forderungen gesperrt. Sorry liebe Rockmusiker, wir wollen nicht für eure Rolls-Royce-Wagen, Kunstsammlungen und die Unterhaltsansprüche eurer Ex-Frauen aufkommen.“

Und wieder ist der Urheberrechtsstreit entflammt und in diesem Zusammenhang habe ich natürlich auch wieder meinen Senf dazu beigetragen:

also: reich werden darfst du, indem du das Geld der Masse als Banker bei Immobiliengeschäften in den Sand setzst. Aber wehe, du wagst es, mit so Hokus-Pokus wie Musik reich zu werden. Das geht gar nicht.

und selbst, wenn sie (die Musiker und Autoren) reich wären, was wäre dabei? Aber sie DÜRFEN es ja ncht. Weil manche Leute trotz all der Zivilisationsgeschichte immer noch einen Unterschied machen zwischen Dingen, die man anfassen kann und Dingen, die nicht greifbar sind. Das ist das Niveau von Grundschülern. Denen musst du auch erklären, dass Hauptworte auch Dinge sein können, „die man nicht anfassen kann“. Und so ist es auch mit Musik. Die kannst du nicht anfassen, also ist sie in deren Augen auch nix wert. Der Musiker auf der Bühne hat ja eigentlich nur Spaß dabei, sein Instrument zu spielen. Mit Arbeit hat das alles nichts zu tun.

Dann schrieb Marcel Schweder:

Vor allem weil auch keiner von uns solche profanen Sachen wie Miete oder Stromrechnungen etc. pp. bezahlen muss. Als Künstler stehen wir ja eh über solchen Dingen.

und ich schloss daraufhin:

Wenn ich meine Gitarre anfasse, spüre ich, wie die Energie mich durchfliesst und schon habe ich keinen Hunger mehr bzw. brauche keinen Schlaf, also auch kein Bett, keine Wohnung usw. Ich bin sowieso lieber draussen, wie wir alle, denn Strassenmusiker zu sein, hach, das ist ja sowas von romantisch. Man kommt ganz schön rum dabei und bringt den Leuten Freude. Wenn die an einem vorbeilaufen und lächeln, dann ist das schon Bezahlung genug. Hach ja…

Genauso ist das mit den Piraten, sie sind auf dem Niveau eines Grundschülers. Der schreibt „Haus“ und „Brot“ groß, denn beides kann man anfassen (und auch stehlen). „Liebe“, „Angst“, Freundschaft“, „Gedanke“ oder gar „Luft“ – all das kann man nicht anfassen, demnach kann es also auch kein Hauptwort sein. Und da „Musik“ demnach auch nicht angefasst werden kann, kann man sie auch nicht stehlen, so die Piraten. Das mp3 ist ja immer noch „da“, wenn man es kopiert.

Aber die Frage nach einem materiellen Raum stellt sich nicht. Musik ist weder „in“ deinem Computer, noch „in“ deinem Ohr. Seine elektronischen Bestandteile sind im PC, die Schallwellen dringen ans Ohr, werden dort in Signale verwandelt und im Hirn verarbeit. Aber die Musik?

„Da“ oder „dort“ – das gilt für Elektronen, Einsen, Nullen, Schallwellen, Nervenimpulse usw. Aber das gilt nicht für das, was der Mensch als Musik empfindet. Vergesst naturwissenschaftliche Erklärungsversuche in bezug auf das, was Musik wohl ist.

Musik, das ist der Sinn, der sich aus der Interpretation dieser ganzen Signälchen und Schwingungen ergibt und dieser Sinn ist etwas hochkomplexes – da muss schon mehr als die Naturwissenschaft her, um das zu „erklären“. Wahrscheinlich kann man das auch garnicht. Vielmehr ist es so, dass es bei der Musik ein letztes Geheimnis gibt, das unentschlüsselt bleibt, selbst für den Autor. Aber ganz so niemandem überlassen will ich die Interpretation gar nicht. Natürlich habe ich meine Interpretation von „Sinn“:

Musik, das ist eine Konstruktion aus der musikalischen Prägung des Autors, seiner musikalischen Ausbildung, seinen persönlichen musikalischen Interessen und das prallt dann auf die Prägung des Hörers und seinen zugang zur Musik bzw. seine Interessen. Aber auch das ist noch lange nicht alles, was sich in den dreieinhalb Minuten abspielt, in denen ein Song gehört wird.  Denn Musik wird auch durch Dinge beeinflusst, die mit Musik gar nichts am Hut haben. Was hat George Harrison dazu bewogen, eine Sitar zu benutzen? Er hatte Ravi Shankar und die Meditation für sich entdeckt, weil er auf der Suche nach einem Weg aus dem Musikzirkus heraus war. Also Musik brachte ihn dazu, eine bestimmte Konstruktion von Musik – die Beatlemania – zu verlassen, ihr zu entfliehen. Und das, was er dort dann fand, verband er letztendlich dann doch wieder mit Musik, aber diese war nun verändert.

Und auch das ist nur ein winziges Mosaiksteinchen des kreativen Schaffensprozesses.

Und jetzt kommen so ein paar Nullen von der Piratenpartei daher und erzählen mir, dass Musik nichts weiter als ein paar Einsen und Nullen sind, die nur jeweils anders zusammengesetzt werden. Sie reduzieren diese Komplexität auf ein paar physikalisch nachweisbare Elektronenströme und kleben das unschöne Wortkürzel „mp3“ drauf – das nenne ich mal eine Verdinglichung, wobei ich kein Problem habe, selbst dieses Kürzel zu benutzen. Sie könnten es auch xyz12345 nennen, solange sie die Wertschätzung in Form von Bezahlung rüberbringen würden, aber das tun sie ja nicht.

Nichts, nichts haben die Piraten verstanden. Sie verstehen sich ja noch nicht einmal selbst, sondern reduzieren ihr eigenes politisches Treiben auf Sekundärtugenden wie Transparenz und Partizipation.

Dabei ist es doch so einfach: der Mensch ist mehr als das, was wir mit den Sinnen erfassen können und gerade die Musik ist der Beweis dafür: ein kleiner Teil der Musik ist das, was wir akustisch, mit dem Hörsinn erfassen. Aber das kann ein Richtmikrofon auch. Was Töne für uns zur Musik macht, das ist der individuelle Sinn, den wir ihr geben und den der Autor ihr gibt. Das ist so dermassen hochkomplex, dass es nie Computer geben wird, die das „entschlüsseln“ können. So viel materielle Kapazität in Speicher oder Rechenleistung kann es garnicht geben, denn es ist ein qualitativer Unterschied: zuerst war die Musik, und dann erst der Ton.

Baldurs Gate, Tolkien, Dune, Eskapismus, Remakes

Herr Braybrook, seit Ende November 2012 kann man Baldurs Gate (im folgenden „BG“) in einer Enhanced (im folgende BGE) Version bei Overhaul Games runterladen. Das Spiel kam 1998 auf den Markt und belebte das totgeglaubte Rollenspiel-Genre wieder. Der Erfolg war so immens (2 Mio verkaufte Einheiten allein vom 2. Teil der Reihe), dass eine ständig präsente Fangemeinde Mods erstellt und Foren betrieben hat, in denen immer wieder die Frage nach einer Fortsetzung der Reihe aufgetaucht ist. Nun soll durch die Enhanced Version Geld für die Finanzierung einer Fortsetzung der Reihe aufgetrieben werden. Sie als bekennender BG-Fan müßten sich das Spiel doch eigentlich sofort runtergeladen haben, oder nicht?

Nein, denn ich habe es ja bereits.

Aber was, wenn Overhaul Games nicht genügend Geld für eine Fortsetzung sammelt?

Also der Grund, eine Fortsetzung von BG zu machen, sollte Begeisterung sein und nicht die Frage, ob es sich lohnt. Wenn die das nur von dem eingenommenen Geld abhängig machen, ist das nicht mein Problem. Schlimmer noch: wenn die das nur vom der Finanzierung abhängig machen, vermute ich ein schlechteres BG 3 als wir es früher einmal mit BG 1, 2 und ToB-Erweiterung hatten.

Was ist mit der Beseitigung von Bugs? 400 sollen in der Enhanced gefixt worden sein.

Und neue sind dazu gekommen. Aber ich will da jetzt gar nicht so sehr auf der Enhanced rumhacken. Inzwischen ist ein Patch von Overhaul raus, und ich denke, wenn der oder weitere dazu führen, dass man BGE vernünftig spielen kann, werde ich einen Kauf in Erwägung ziehen. Allerdings spricht da dagegen, dass ich die Zeit dafür gar nicht habe, stundenlang in der Gegend umherzurennen und die Welt zu retten, selbst, wenns gut gemacht ist.

Na gut, zunächst einmal zu der Frage, was das Besondere an Baldurs Gate war.

Für mich persönlich ist das herausstechende Merkmal die Umsetzung der AD&D-Regeln. Dabei hatte ich zu Beginn meiner BG-Zeit keinen  blassen Dunst davon, was das überhaupt ist. Und das ist die zweite große Stärke dieses Spiels: der Einstieg war mitnichten kompliziert, ich braucht die AD&D-Regeln überhaupt nicht zu kennen, obwohl das Regelwerk natürlich seine Auswirkungen hatte. Ich bastelte mir irgendwie einen mittelmäßigen Charakter zusammen und legte los. Aber der Levelaufstieg, die Klassen, die Party, die Größe der Welt, das Non-lineare, ein gewisser Realismus – das hat mich erstmal bei der Stange gehalten, bis ich so langsam, Stück für Stück, hinter die Kulissen geschaut habe und beobachtet habe, wie sich mein Charakterentsprechend der Werte verändert. Wenn ich andere Ausrüstung oder einen neuen Level hatte, hatte das eindeutige Auswirkungen auf das Spiel. Und dann habe ich gemerkt, daß ich mir mehr Mühe hätte geben sollen beim der Charaktererstellung.

Hatte BG da versagt?

Im Gegenteil: genau so muß es sein: man startet es ganz gerne ein zweites und drittes mal und ich kenne nicht wenige Leute, die das weit öfter gespielt haben. Was meinen Sie aber, wie oft ich meine Entscheidungen bei der Charaktererstellung und beim Levelaufstieg bei Skyrim bereut habe? Und trotzdem habe ich es niemals neu begonnen. Das ist ja die pure Arbeit, den ganzen Mist nochmal zu spielen und alles neu zu „erforschen“. Die Halbwertszeit bei neuen Spielen mit „epischer Breite“ ist extrem gering, obwohl sie sogar BG an schierer Größe übertreffen. Wie kommt das?

Das Non-lineare, der , wie Sie sagen, „gewisse Realismus“ bei BG – ist es nicht genau das, was Sie bei Skyrim bemängeln?

Nein, denn bei Skyrim sehen beispielsweise alle Dungeons irgendwie gleich aus, genauso wie die Festungen. Bei BG war das nicht der Fall, obwohl es ja in keiner Weise mit dem Gigantismus Skyrims mithalten kann. Anders gesagt: bei BG auf Abwege zu gehen, machte so viel Spaß wie die Hauptquest und es verbesserte den Level. Bei Skyrim nervt es einfach nur. Was den Realismus angeht, hatte der seine Grenzen und das war gut so. Um genau zu sein, beschränkte er sich auf die AD&D-Regeln und da gehört er auch hin: in den Hintergrund. Ich kann diese AD&D-Regeln jetzt nicht en détail erklären, aber sie machen wirklich Sinn. Das liegt einfach daran, daß man aus 20 Jahren Regelwerk schöpfen konnte. Skyrim kann natürlich nichts dafür, daß es gerade mal halb so alt ist und auch nicht von derartig vielen Köpfen (weiter-)entwickelt worden ist. Aber mich als Konsumenten braucht das nicht zu interessieren. Skyrim spielt sich schlechter als BG, Punkt. Die Talententwicklung bei Skyrim ist ja gar nicht so schlecht in bezug auf ihre Ideen. Aber das Kauen eines Kaugummis ist manchmal spannender als der mühsame Aufstieg von Stufe zu Stufe, von Talent zu Talent und das alles hat noch nicht einmal direkte Auswirkungen auf meinen Charakter. Um gerade mal 100 Pfund mehr tragen zu können, muß ich mich auf Stufe 50 beim Taschendiebstahl (!) hochleveln. Das nervt. Bei BG gab es zwar auch begrenzt Inventarplätze und Traglast, aber mit den anderen Partymitgliedern ging das schon und ich mußte nicht stehlen, um mehr tragen zu können. Dieser Sinn hat sich mir bisher noch nicht erschlossen, aber ich werde darauf verzichten, es herauszubekommen.

Was ist mit dem Gigantismus? BG 2 soll 200 Stunden Spielzeit geboten haben. Sie sagten in bezug auf Skyrim, dass das vom Mangel an Ideen ablenken sollte. Umherirren, um möglichst lange nicht ans jähe Ende des Spiels zu kommen – war das auch bei BG so?

Nein. BG war ein wenig wie Tolkiens Herr der Ringe: da hatte sich jemand Zeit für die Details gelassen. Rollenspiele haben ja an sich das Problem des Eskapismus. Dieser steht nicht nur für Realitätsflucht, sondern auch für einen Mangel an narrativer Stringenz. Das war bei Tolkien nicht ganz so. Erstens hatte er mit der Idee des Meisterrings ein gutes literarisches Motiv gefunden, das Möglichkeiten der Übertragung in die Philosophie bot und das Tolkien auch entsprechend gut variieren konnte. Zweitens war der echt so verrückt, sich 14 Jahre Zeit zu lassen, um diese ganze Fantasy-Welt auszuformulieren. Was sonst die Fantasy so entlarvt, sind ja die irgendwie zusammengewürfelt klingenden Namen, die Ungereimtheiten in angeblicher Historie der Fantasiewelt, die Puppenhaftigkeit der Akteure usw. Man merkt, dass da unter Zeitdruck etwas entstehen muss, weil sonst kein Geld reinkommt.

Nicht so bei Tolkien. Der Freak hat sich nicht nur Namen einfallen lassen, sondern diese in eigens erfundene Sprachen eingebettet, sogar eine Grammatik dafür ausgearbeitet – was er als Sprachwissenschaftler ja auch konnte. Er hat Stammbäume und Fehden zwischen Völkern erfunden und Landschaften ausgemalt. Und vor allem: er schien dabei mächtig Spaß gehabt zu haben. Diese Detailverliebtheit macht den Herrn der Ringe deshalb auch zu einem Lesevergnügen. Dabei stehe ich überhaupt nicht so sehr auf erfundene Welten, aber dem Tolkien nimmt man den ganzen Zinnober ab – nicht zuletzt, weil der rote Faden mit Frodos Auftrag alles zusammen hält.

Bei BG nun war das zwar nicht auf dem Niveau Tolkiens, aber doch besser als bei anderen Rollenspielen. Was aber neben der Story das wichtigste ist: das Spielen hat Spaß gemacht. Die genannten 200 Stunden brauchte man nicht zu spielen, aber selbst, wenn man es getan hat, hatte man nie das Gefühl, in einer dahingeschluderten Nebenquest zu stecken. Das Balancing ist da ja oft ein guter Indikator – plötzlich, irgendwo am Arsch der Fantasy-Welt, steht man bei einem schlechten Spiel vor einem unbesiegbaren Gegner, der den Obermotz des gesamten Spiels in den Schatten stellt, obwohl seine Schergen noch umgepustet werden konnten – sowas gabs bei BG nicht.

Das alles wurde noch abgefedert durch das stringente Regelwerk. Wenn man die 20 Jahre Entwicklung von AD&D als Grundlage für das Regelwerk von BG betrachtet, wundert es einen nicht, dass man sich immer „fair“ behandelt vorkam (auch, wenn das Spiel teilweise ganz schön hart zu knacken war).

Wie sieht es aus mit dem Buch „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert? Riesige Würmer, die die Spice-Droge bewachen, Gildenavigatoren, die im Rausch durch das Weltall jagen, rituelle Bestattungen des Fremenvolkes – ist das Eskapismus?

Ich kennen nur dieses Buch, nicht die Ableger und Fortsetzungen. Frank Herbert hat hier eine gute Idee gehabt und die Fantasy dazu benutzt, diese Idee zu transportieren. Im Zentrum steht die messianische Heilsbotschaft und sie hält alles andere zusammen – die Intrigen und Machtspiele zwischen den Fürstenhäusern, die persönliche Geschichte und den ganzen Science-Fiction-Schnickschnack. Das mit den Drogen ist auch etwas Spezielles in diesem Roman. Man hat insgesamt überhaupt nicht den Eindruck von Eskapismus, im Gegenteil: Herbert scheint eigentlich nur diese Welt beschreiben zu wollen, und weil das so brisant ist mit den Interessenverbänden und den Herrschern, gehts da eben um die MAFEA und den Imperator und nicht die OPEC und des Präsidenten der USA. Aber es ist gut gemacht, darauf kommt es an.

Da lasse ich mich gerne in eine andere Welt entführen, denn das ist alles andere als Eskapismus.

War BG Eskapismus?

Ich gebe zu, dass mich bei Baldurs Gate die Geschichte eigentlich herzlich wenig interessiert hat. Es war wirklich das AD&D-Regelwerk, welches mich fansziniert hat und ich fürchte, dass aufgrund der AD&D-Lizenz-Situation eine Fortsetzung der Reihe mit dem Regelwerk nicht machbar sein und somit für mich uninteressant wird. Ob das Spiel nun in 3D oder 2D ist, halte ich für weniger wichtig. Gleiches gilt für die Frage, ob man die Story weiterführt (sie war nach ToB ja eigentlich abgeschlossen), ein Prequel basierend auf der Story macht, oder eine gänzlich neue Geshcichte erzählt. Was BG zum Hit gemacht hat, waren die AD&D-Regeln und ich fürchte, das kann man wohl abschreiben.

Das ist aber auch egal. Computerspiele sind nicht alles und die alten Hits wiederzubeleben, ist doch eigentlich Käse. Ich bin dankbar für Emulatoren, um die eine oder andere 8-Bit-Perle zwischendurch zu zocken, aber spontan fällt mir kein sinnvolles Remake von Computerspielen ein.

Hört, hört.

Ich setze noch einen drauf: ich kenne auch kein Film-Remake, das Sinn macht. King Kong von Peter Jackson? …ach Herrjeh. Godzilla von Emmerich? Der Name steht für Hollywood-Schund übelster Sorte. Und auch Dune wurde Ende der Neunziger / Anfang der Nuller Jahre nochmals neu verfilmt – er wurde verrissen, zurecht.

Nein, man soll sich an Meilensteinen erfreuen, aber möglichst die Finger von Neuauflagen lassen. Das geht schief.

Sie haben Skyrim förmlich in der Luft zerrissen. Fassen Sie Ihre Kritik in ein oder zwei Sätzen zusammen.

Skyrim ist das Beste, was man von der Mainstream-Industrie bekommen kann, wenn man bestimmte Fragen nicht stellt.

Nanu? Das überrascht mich jetzt doch.

Nein, nein, ich meine das ernst: es kann ja nichts dafür, daß der Computerspiele-Markt so ist, wie er nunmal ist. Dieses endlose Leveln in gigantischen Welten – die Leute stehen nun mal darauf, sie kaufen es wie blöde. Meine Kritik an Skyrim ist also eigentlich eine Kritik an dem niedrigen Anspruch der Konsumenten. Je gigantischer die Welten werden, in denen diese Spiele verortet sind, desto deutlicher wird die Beschränkung auf vier oder fünf Tätigkeiten, denen man stundenlang nachgeht. Mir fällt das auf, ich stelle da Fragen nach Alternativen. Weil ich das Genre nicht aufgeben möchte, so wie es viele andere tun. Die spielen einfach was anderes und sind glücklich, denn wenn ein Genre inhaltlich stirbt, bleiben die Zombies dabei und der neugierige Teil der User wendet sich etwas anderem zu.

Und das wäre?

Wie gesagt, ich halte Konsolen für die eigentlichen Spielemaschinen. Das Keyboard ist eigentlich die wahre Mauer zwischen Spieler und PC. Das Keyboard hat in den 4 Buchstaben, W, A, S, und D eine Bühne für die apokalyptischen Reiter bereitet.

Das Keyboard ist der Teufel.

So ist es. Das Keyboard steht mit der Symbolisierung von Sprache in Form von Graphemen sowieso schon für die indirekte Kommunikation. Wie soll so ein Gerät, so ein Symbolsystem ausgerechnet so etwas Lebensbejahendes, Direktes und Kindliches wie Spiel ermöglichen? Wenn Sie sich Kinder anschauen: die spielen ganz von alleine.

Aber sie sind auch begierig, zu lernen. Das Keyboard steht für Kultur und Sie vertreten ja immer die Meinung, dass der Mensch in der Lage ist, das archaische zu kultivieren, weil daraus eine bessere Welt erschaffen werden kann.

Ja schon, aber im Spiel dürfen wir auf eine kultivierte Art archaisch – man könnte auch sage: primitiv – sein. Im Spiel ist Wettbewerb OK, im Spiel ist töten OK.

Töten ist OK?

Wenn man das so sagt, klingt es natürlich hart, aber die ganzen Cowboy-Indianer-Spiele früher waren doch auch nichts anderes. Zu klären wäre da vielleicht noch die Frage, ob es OK ist, wenn Erwachsene das ebenfalls noch tun, z.B. in Ego-Shootern. Das sind aber Fragen nach dem Spielinhalt. Wir waren zunächst mal von der Steuerung ausgegangen, und die sollte so natürlich wie möglich sein.

So wie bei der Nintento Wii?

Genau, nur dass man mit der Zeit gemerkt hat, dass die Leute nicht ausschließlich „echte“ Bewegungen vollführen wollen. Viele haben sich mit der Zeit die „klassische“ Steuerung á la Joypad gewünscht. Aber das ist ja auch möglich.

Das mit dem Archaischen, dem Teufel im Keyboard und der Wii müssen wir noch ausführlicher besprechen. Jetzt gehe ich erst mal Skyrim zocken. Sie können ja den Emulator anschmeissen.

Hm…. nein. Obwohl… eine Runde Boulder Dash werde ich vielleicht doch noch mal spielen.

Na dann: viel Spaß!

Bruce Lee, das wahre Drachenblut: 8-Bit-Pixelhaufen hängen Skyrim ab.

(Fortsetzung von vorgestern)

Finden Sie diese Rückkehr (casual games) zum Spiele-Niveau von 8-Bit-Maschinen nicht irgendwo rückschrittlich?

Sie machen immer dieselben beiden Fehler: 1. Sie setzen technische Attribute mit Spielinnovation gleich. 2. Sie definieren „höher, schneller, weiter“ als Fortschritt. Zu 1.: Casual Games sowie manche 8-Bit-Perle können technisch eigentlich nicht mit den großen Produktionen heutiger Tage wie Skyrim / Crysis / Fussball Manager 13 usw. mithalten, aber trotzdem schafften und schaffen Sie es auch heute noch, Menschen stundenlang an den Bildschirm zu fesseln. 2.: Ich sagte ja bereits, daß gerade der Hyperrealismus in Skyrim abschreckend unrealistisch wirkt. Da bin ich mir jederzeit voll bewußt, daß das nicht wirklich passiert – weil es eben nicht perfekt ist.

Ein Beispiel: ich lief durch ein Haus und sammelte alchemische Zutaten – um hochzuleveln und weil ich ständig Geld für Zaubertränke brauchte. Da geschah es, daß ich vor einer Wand stand und die Kamera von schräg oben mein Inneres filmte. Ich sah also genau das, was mein angeblicher Bretone in Wirklichkeit ist: eine Schaufensterpuppe. Die Detailliertheit dieser Puppe – ich konnte erkennen, daß die Augen wie Glasaugen, also halbe Eierschalen modelliert sind – verstärkte die Zerstörung der Illusion noch mehr. Ich war mitnichten in Skyrim, sondern zuhause vorm PC, wo ich Zeit dafür verschwendete, meine Figur im Spiel stark genug zu machen, um das Spiel überhaupt erst spielen zu können. In dem Moment machte ich es aus.

skyrim01

Der Kopf ist weg? Nein: rechts unten, das grinsende Fass geht mit etwas Fantasie auch als Kopf durch (Skyrim).

Dasselbe passierte bei Ultima Underworld, wenn man nahe an Objekte herankam und diese völlig verpixelt waren. Dafür fesselte Ultima Underworld durch die Story und die ausgewogene Verteilung von Gegenständen. Da fand man nicht an jedem Eck irgendwelche magischen Waffen. Sowas war ein echter Höhepunkt.

ultimaunderworld

Pixelig? Sieht nur so aus. Im diesem fantastischen Spiel fällt einem das gar nicht mehr auf. Ultima kleckert nicht, es klötzchent (Ultima Underworld 2).

Lassen Sie sich doch durch den einen oder anderen grafische Bug nicht das ganze Spiel zerstören.

Es gibt zwei Sorten von Usern:  die einen sehen Skyrim und bewundern die Animation der Figuren und die Genauigkeit in der Gesichtsdarstellung, während die anderen (ich) genau dabei den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion erkennen. Solange ich den Unterschied zwischen Spielfigur und Schauspieler im Film erkenne, funktioniert die Illusion nicht für mich.

Sie schauen ja auch genau hin. Wer suchet, der findet.

Nicht wahr. Bei den alten Disneyfilmen sind die Figuren ja auch gezeichnet, aber in sich stimmig. Sie haben einen Ausdruck mit wenigen Strichen, sie bewegen sich so, wie es eigentlich gar nicht möglich ist, aber keiner würde auf die Idee kommen, das zu kritisieren. Da lasse ich mich gerne in eine andere Welt führen und bin überhaupt nicht pedantisch.

junglebook

Manch alter Disney-Film schafft mit wenigen Strichen, was modern CGI mit Trillionen Miliarden Pixeln nicht schafft: Lebendigkeit (Disney: Dschungelbuch).

Die Abstraktion ist dem Konkreten weit überlegen und Skyrim verfitzelt sich in der Suche nach dem Konkreten.

Dabei ist der Mensch doch gerade in der bildlichen Darstellung zur Abstraktion fähig: eine Karikatur bildet ja auch nicht fotorealistisch den Menschen ab und dennoch wird er erkannt. Gleiches gilt für die Spiele der 8-Bit-Ära – da werden ein großes und  kleines Klötzchen plus 4 Striche zu einem „Männchen“ (so haben wir es damals genannt), mit dem man sich voll identifiziert. Zusammen mit dem Rest des Settings, also der Umgebung und dem ständig präsenten Ziel entsteht eine Welt. Das kleine gelb-schwarze Pixelhäufchen sieht nicht aus wie Bruce  Lee, es ist Bruce Lee, obwohl es nur zwei oder drei Moves hat. Aber die Umgebung sowie die Klarheit zwischen Gut und Böse motiviert weit mehr als die pseudo-historisch/-gesellschaftliche Ausdifferenzierung verschiedener Fraktionen in Skyrim.

Bruce-Lee_C64„Kompliziert“ und „viel“ kann jeder. Aber wer kann mit einem Häufchen Pixeln in 2 Farben Bruce Lee darstellen? (Bruce Lee, C64)

Es geht einfach ums Computerspielen und Computerspiele können bestimmte Dinge einfach sehr gut (wie z.B. das interaktive Element vorgaukeln) und manche Dinge bestenfalls mittelmäßig (z.B. Geschichten erzählen).

Geschichten erzählen – wieso soll das in Computerspielen nicht gehen?

Weil Bücher und Filme das viel besser können.

Aber Bücher und Filme sind linear. Da wird eine lineare Handlung vorgesetzt und der Konsument hat keinerlei Einfluss auf das Geschehen!

Das ist bei Skyrim doch genauso. Dann hat der Mensch eben die Wahl zwischen einer Handvoll verschiedener Spiel-Ausgänge, aber diese sind genauso festgelegt wie bei einem Film oder Buch. Nur, daß sich bei Film und Buch gar nicht die Frage stellt, ob der Konsument angeblich das Ende bestimmen kann. Soll er gar nicht. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, daß die Identifikation mit dem Protagonisten durch das „Bestimmen“ oder angebliche Bestimmen des Ausgangs hergestellt wird. Falls wir ein Setting wie in einem Film oder Buch ohne Handlung vorfänden, wenn wir also aufgefordert würden, dort zu handeln, dann reproduzierten wir eigentlich nur unsere bereits vorhandenen Verhaltensweisen und das wäre langweilig. Die Stärke eines Buches oder Films liegt darin, daß die Akteure Dinge tun, die wir so nicht erwarten bzw. die unserem Streben nach Sicherheit widersprechen. Die wollen manchmal gar nicht überleben. Der Ausgang ist ungewiss. Weil der Autor des Buches seine Idee verfolgt, als ganze Person. Er kann und darf seine ganz persönliche Sicht der Dinge auf seine Geschichte übertragen, was Segen und Fluch ist – er kann ja auch scheitern damit. Bei einem guten Buch aber packt uns der Autor, selbst, wenn er eine andere Meinung vertritt als wir. In einem Computerspiel soll der Spieler glauben, er könne etwas selbst bestimmen und der Programmierer gibt vor, kein vorgefertigtes Ende zu präsentieren. Das ist aber nicht wahr. Natürlich tut er das – es ist als würde ein Buchautor dasselbe Buch fünf mal schreiben, mit jeweils unteschiedlichem Ende. Und letzlich wäre es doch alles seine Sicht, die er uns präsentiert. Deshalb schreibt aber auch kein Autor ein Buch mehrfach, mit verschiedenen Enden, er schreibt eines. Man weiß nicht, was er will, überleben, sterben, was auch immer. Der Akteur bei Skyrim will aber sehr wohl leben und es gibt trotz aller Vielfalt nur eine einzige Art, wie das Spiel ausgeht: man besiegt die Drachen und befreit das Land von der Knechtschaft.

Und was ist da jetzt bei Bruce Lee auf dem C64 anders?

Nichts. Aber es wird einem auch nicht vorgekaukelt, daß es anders wäre. Das schafft Raum für Überraschungsmomente anderer Art. Als ich das erste Mal in den Raum mit den riesigen von unten nach oben wandernden Tapeten (oder was immer es auch war) gekommen bin, war ich echt überrascht. Das hat mich beeindruckt. Es war letztlich ein Geschicklichkeitstest: man mußte im richtigen Moment draufklettern, um von der Tapete nicht an die Stacheln am oberen Bildschirmrand gedrückt zu werden. Da hatte ich überhaupt gar keine Wahl, das anders als vorgesehen zu machen, und trotzdem hat es mich motiviert. Die Motivation war da, weil die einzige Option, es zu schaffen, gut gemacht war. Und als ich Bruce Lee durch hatte, ist die Motivation natürlich abgeflaut. Aber das war doch auch schön damals: man hatte es durchgespielt und gut wars.

Sie haben gut reden… „gut wars“… das sagen Sie jetzt im Jahre 2013, wo es überhaupt kein Problem ist, kostenlos an tausende von Spielen im Netz zu kommen. 1984 war man froh, Spiele länger spielen zu können als die Stunde, in der Bruce Lee geschafft ist.

Aber haben wir nicht trotzdem damals Stunden mit Bruce Lee verbracht? Wir schaffen dieses Spiel heute so schnell, weil es uns natürlich nicht mehr überrascht. Die Grafik, die Steuerung, der Sound sowie der „he, das ist ja Bruce Lee!“-Effekt, das hat damals alles so fasziniert, daß man tausend Bildschirmtode gestorben ist, bevor man es durch hatte. Wenn man dazu noch, wie ich, Geschwister hatte, die nach jedem verlorenen Spiel ebenfalls spielen wollten, hat sich so etwas in die Länge gezogen, aber langweilig war es keinem von uns.

OK, Sie sagen, der technische Realismus scheitert daran, daß er die Realität sowieso nicht abbilden kann. Ihrer Meinung nach muß die Perfektion nicht vorangetrieben werden, sondern sogar zurückgeschraubt. Computer werden aber immer leistungsfähiger. Denken Sie an Gollum in der Herr der Ringe-Verfilmung. Das funktioniert doch.

Für mich nicht. Mich hat Gollum im Film immer schon genervt. Auch diese bescheuerte Stimme als Mischung aus Mainzelmännchen, Donald Duck und Roboter, furchtbar. Eigentlich geht der Film-Gollum nur dort in Ordnung, wo richtige Schauspieler dabei sind. Aber Gollum solo ist genauso trivial wie die Umsetzung seiner Persönlichkeitsspaltung.

smeagol

Ein bißchen Schminke und falsche Zähne tuns auch: dieser Smeagol ist zwar auch ordentlich übertrieben, aber noch OK. Den Rest gibt mir die hemmungslose Verwendung von CGI. Den Film-Gollum noch ernst zu nehmen, ist ein echte Herausforderung. (Herr der Ringe, Peter Jackson)

Dieser Weg, alles so realistisch wie möglich darzustellen, ist ein Irrweg. Erstens kostet er enorme Summen von Geld – weswegen sich auch nur große Firmen daran wagen können und zweitens brauchen wir das doch gar nicht. Menschen haben Phantasie, die läßt sich doch aktivieren. In Spielen wie „Limbo“, um mal ein aktuelles Beispiel zu nennen, hat man gänzlich auf Farben verzichtet, es ist schwarz-weiß. Und bereits die Screenshots im Netz beeindrucken mehr als diese bescheuerten Draugrs bei Skyrim, die nichts anderes sind als Zombies.

Es gibt inzwischen wohl hunderte, wenn nicht tausende von 3D-Action- und Rollenspielen, die von ihrer Größe in bezug auf Code und abverlangte Rechenleistung „mehr“ bieten als Limbo, aber die berühmte Szene, in der sich die riesige Spinne an den kleinen Bub ranschleicht, bleibt mehr hängen als jeder noch so faltige Zombiefürst aus den 3D-Grafikboliden.

Limbo-spider

haaaa…..HAAAAAAA……bibber… (Limbo)

Schauen Sie sich Paradroid an. Schon 1986 sagte Boris Schneider in „Happy Computer“: „Grafisch gibt Paradroid nicht viel her…“ aber trotzdem hatte man das Gefühl, dieser kleine Droide zu sein, der auf irgendeinem Deck eines großen Raumschiffes umherirrt. Ständig hatte man Angst, dem 999-Roboter zu begegnen, und man bekam einen gehörigen Schreck, wenn es tatsächlich passierte.

Paradroid kann man heute noch spielen und Boris Schneider bewertete das Spiel damals mit „super“.

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Bilder sagen mehr als Worte, aber dieses Spiel muß man einfach gespielt haben, um zu verstehen, wieso es einer der größten C64-Hits überhaupt geworden ist. (Paradroid, Andrew Braybrook, C64)

Sind sie ein Retro-Gamer?

Nein, natürlich geben diese Spiele nicht mehr so viel her und wenn man sie so oft durchgespielt hat wie ich, ist es wie mit einem Buch: selbst ein gutes liest man mit der Zeit immer seltener. Aber das muß ja auch nicht sein. Lieber spiele ich begeistert ein Spiel durch und schließe es weg, als wie bei Two Worlds oder Skyrim stundenlang den gleichen Spielablauf zu variieren.

Und auf der anderen Seite gibt es tatsächlich Spiele aus den 80ern, die mich heute noch regelrecht fesseln. Boulder Dash z.B. ist völlig faszinierend. Ich verbringe auch heute noch immer wieder Zeit damit, zumal es auf meinem Netbook mit Emulator gut läuft und per Tastatur entsprechend gut zu steuern ist. Die Idee ist einfach genial. Diese grundlegende, abstrahierte Physik im Kleinen simuliert vollständig eine eigene Welt. In Skyrim habe ich drei oder vier Abstufungen an Verletzungen beim Springen aus bestimmten Fallhöhen, und dennoch ist es unrealistsch. Wäre ich – wie dort – mit 600 Pfund Rüstung, Eisenerz und Schmetterlingen im Glas ausgerüstet und spränge, reichten schon 2 Meter Fallhöhe, um mir sämtliche Knochen zu brechen.

boulder

Sah schon 1984 nach so gut wie nix aus, fesselt aber noch 2013 vom ersten Moment an. (Boulder Dash, C64)

Spiele werden auch diese Faktoren eines Tages berücksichtigen können.

Und selbst dann werden sie die Realität nicht vollständig simulieren können. Dieser Wettlauf ist der Falsche, denn die Komplexität der realen Welt können wir nicht durch Details nachbilden. Das Allgemeine, das Abstrakte erst schafft Kommunikation. Ob das jemand als objektiv exakt das Gleiche empfindet, so, wie wir es tun, ist unerheblich. An dieser Frage – ist rot wirklich rot? – beißen sich Erkenntnisphilosophen seit Jahrtausenden die Zähne aus und warum sollen ausgerechnet Computer diese Frage beantworten können?

Wir müssen das Subjektive in der Kommunikation als gegeben hinnehmen, so wie bei Boulder Dash: das ist ein Stein, weil ich es behaupte. Das ist Gras, Du bist dieses kleine Männchen und Du bewegst dich schrittweise in vier Richtungen. Sammle Diamanten, aber berühre die Gnome nicht. Manche verwandeln sich in Diamanten, wenn ihnen ein Stein auf den Kopf fällt oder wenn sie die Amöbe berühren. Viel mehr Regeln gibt es bei Boulder Dash nicht, aber ich behaupte: gerade die Abstraktion schafft tausende von möglichen Levels und wenn Sie im Netz mal nachforschen, finden Sie wahrscheinlich zehntausende Levels (wenn man die Plagiate und Remakes mal mitzählt) einer weltweiten, immer noch aktiven Szene.

Jedes Märchen geht davon aus: „es war einmal…“ – das ist eine Ansage. Da behauptet jemand „das ist“ und es funktioniert seit Jahrtausenden. Die sinnlose Suche nach Objektivität verstellt uns den Blick für die Kraft der Subjektivität.

Wie soll man diese subjektive Kraft heute noch in großen Companies etablieren?

Das geht kaum noch. Diese kleinen, verrückten Perlen, die nur deshalb entstanden sind, weil Programmierer für sich in ihren abgedunkelten Zimmern gewurschtelt haben und wo kein Programmdirektor reingepfuscht hat – die findet man bei Mainstream-Produktionen nicht mehr. Wie sollte man auch? Da herrscht ein enormer Druck, den Massengeschmack zu befriedigen und Experimente interessieren herzlich wenig.

Deshalb gibt es ja auch die von mir so bemängelte Konzentration auf vier oder fünf Genres: Computerspiele, so scheint es, haben sich zwangsläufig in eine bestimmte Richtung entwickelt. Das Element des Sammelns, des Erforschens und Levelns muß eine bestimmte Ader in den Rollenspielern ansprechen, ebenso wie jenes des Überwindens von Gegnern in Ego-Shootern. Sportspiele sind fast nur noch Rennspiele oder Fussball. Früher gab es sogar Baseball-Simulationen am C64. Da sind die Konsolen den PCs voraus. Die Hersteller von Konsolensoftware haben einfach kapiert, daß Spielen vor allem erstmal nur Spaß machen muß. Da werden weit mehr Simultan-Spiele gegen menschliche Gegner produziert, während man am PC im Großen und ganzen alleine spielt. Online ist das zwar etwas anders, aber eben doch nicht das Gleiche wie mit einem echten Gegner, der neben mir im Wohnzimmer sitzt.

Sammeln, die Prinzessin befreien, erforschen, als erster über die Ziellinie fahren: tun wir in Computerspielen das, was wir als Kinder gerne wollten, nur ein bißchen echter?

Das wird immer unechter, je länger man dabei ist. Für Teenies ist das natürlich toll. Denen reicht auch eine völlig triviale Story, denn sie können ja auf dieser Plattform u.a. ihren Sammeltrieb befriedigen. Diesen und andere Triebe hat der Markt im Grunde erforscht und deren Befriedigung durch im Prinzip immer dasselbe Spiel in neuem Gewand reicht wohl aus, um die Industrie am Leben zu erhalten – weil immer neue Generationen von Teenies heranwachsen, denen eine mittelmäßige Story und triviale Charaktere ausreichen. Die Industrie scheint nicht schlecht davon zu leben, sonst würde sie es nicht machen. Sie macht sich ja nicht mal mehr die Mühe, das Szenario neu zu erfinden. Stattdessen werden alte Reihen immer weiter fortgesetzt.

Da sollten wir uns doch beim Markt bedanken: er gibt uns das, was wir wollen und zwar immer besser.

Nein. Er tötet die Faszination durch Massenware. Dabei ist es kein Problem, wenn der Konsument sich dessen bewußt ist, daß das Hollywood ist. Solange er sich darüber bewußt ist. Schlimm wird es nur, wenn Leute so etwas wie Skyrim mit Baldurs Gate oder gar Ultima in Verbindung bringen, nur, weil die Story von Krieg und Intrige erzählt oder weil man kochen kann, so, wie man in Ultima backen konnte.

Es gibt aber auch im Massenmarkt immer wieder überraschende Spielideen.

Schon, aber warum darauf warten? Im Untergrund gibt es haufenweise witzige, eigenartige Spieideen. Da eröffnen sich Welten, sobald man sich darauf eingelassen hat bzw. sich von der Erwartung, im Massenmarkt Eigenständigkeit zu finden, verabschiedet hat.

D.h. die Beschäftigung mit Retro ist eigentlich die Beschäftigung mit Subkultur, denn in den 80ern waren Massenmarkt und Subkultur noch näher aneinander. Die technischen Beschränkungen machten ein Team von 200 Leuten unnötig, und umgekehrt konnte ein einzelner Programmierer noch die Welt auf den Kopf stellen. Es gab einfach immer wieder diesen „es geht ja doch anders“-Effekt. Ich sage das ganz ohne Wehmut, denn die Subkultur lebt ja immer noch. Aber ebenso halte ich es für wichtig, Retro zu pflegen. Das heißt für mich nicht lapidar „früher war alles besser“, sonst landet man schnell in der Opa-Ecke und jeder denkt, man sei dieser Ansicht, weil man selbst noch jung war und sich die Jugend zurückwünscht.

Nein, so ist es nicht. Es geht viel mehr darum, daß es so etwas wie eherne Weisheiten im Spielemarkt gibt und das das durch den Vergleich der Retro- mit der heutigen Spieleszene zutage tritt. Eine Weisheit ist: Grafik ist nicht alles. Computerspiele sind ohne Grafik zwar undenkbar und natürlich ist sie es, die die erste Faszination ausübt. Aber diese Faszination kann so verdammt schnell verflogen sein und wenn man nicht aufpasst, setzt die Langeweile ein.

Eine weitere Weisheit ist: hüte das Eigenartige. Die tollsten Spiele klingen, verbal umschrieben, äußerst befremdlich. Ein Roboter, der andere Roboter „übernimmt“, indem er deren Schaltkreise manipuliert – das klingt doch seltsam und langweilig. Aber wenn man Paradroid spielt, fesselt es. Oder die Lemminge – erklären sie mal jemandem, der es nicht kennt (was selten vorkommen wird), was man da so machen muß… 100 dümmliche grünhaarige Männchen davon abzuhalten, ins Verderben zu rennen. Jeder wird sie für entrückt halten. Aber setzen Sie jemanden davor und schon sieht es anders aus.

Noch eine Weisheit: vergiss die Gesetze des Marktes. 1997 waren Rollenspiele völlig out. Was meinen Sie, was Black Isle mit Baldurs Gate gemacht hätten, wenn sie sich darum gekümmert hätten, wie es um Rollenspiele steht? Es wäre nie herausgekommen.

Gutes Beispiel: Baldurs Gate. Es gibt ja nun die Enhanced Version. Sie soll der Auftakt zu weiteren Umsetzungen der Reihe sein, so daß – bei einem eventuellen finanziellen Erfolg – das lange ersehnte Baldurs Gate 3 in Angriff genommen werden soll. Wie sehen Sie das aus ihrer Auffassung von Retro – also daß man das Eigenartige darin finden soll, das Subkulturelle usw. Baldurs Gate war bereits damals ein auf den Massenmarkt zugeschnittenes Produkt. Ein riesiger Programmiererstab ist daran gesessen, das Budget war bereits beim ersten Teil alles andere als „subculture“. Dennoch sind Sie der Meinung, daß dieses Spiel eines der besten RPGs ist, das es je gab.

(Fortsetzung folgt.)

Retro, Skyrim, C64: was mit neuen Spielen nicht stimmt…

(Fortsetzung von gestern)

Nein, nein, vergessen Sie mal ihr Anti-Gerede gegen alles! Bei Two Worlds (das mir übrigens auch Spaß macht) tritt das von Ihnen beschriebene Prinzip im Großen und Ganzen unverblümt zutage. Bei Skyrim gibt es eine epische Story, die mit dem Rest des Elder-Scrolls-Reiches verwoben ist. Man kann Erze schürfen, eigene Waffen schmieden, sich unterschiedlichen Fraktionen anschließen, zum Dieb, Kämpfer oder zum Magier werden, man kann sogar verschiedenste Lebensmittel zu unterschiedlichen Gerichten kochen und noch vieles mehr. Das ist eben nicht so wie bei Two Worlds, das hat Tiefe, das macht Sinn.

Feyd holt tief Luft und antwortet:

Ob ich mich jetzt durch das Schmieden von Rüstungen oder das simple Plätten von Monstern hochlevele, um dann eben noch effizienter Rüstungen schmieden bzw. Monster plätten zu können, ist egal. Das ist immer das gleiche Prinzip in neuem Gewand.

Na, selbst, wenn es das wäre… darum geht’s eben bei Computerspielen: eine anfangs übermächtige, gewaltig erscheinende Aufgabe am Ende eben doch zu meistern, indem man während des Spiels besser wird. Und auf dem Weg dahin lernt man immer neue Verhaltensweisen.

Das halte ich für einen Trugschluß. Das Schmieden von Rüstungen sowie das Plätten von Monstern hat denselben Effekt auf das Hochleveln. Es würde mich nicht wundern, wenn das im Kern dieselben Programmroutinen sind, die die Tätigkeit des Spielers auswerten und in Erfahrung und Levelaufstieg umrechnen.

Das Gleichgewicht von Herausforderung und Spielbeherrschung ist nur eine Facette vom Spiel und heutige Rollenspiele reduzieren sich im Spielprinzip ausschließlich darauf.

Wirklich Spaß macht doch ein Spiel, wenn ich einen Weg finde, meine eigene, persönliche, eigensinnige Art und Weise, die Aufgabe zu meistern, entfalten kann.

Stattdessen habe ich die Wahl zwischen einer Palette von Optionen, die jeder Spieler auf der Welt gleich nutzt. Eine Zwergenrüstung hat immer die gleichen Werte, sieht immer gleich aus, hat immer den gleichen Grundverkaufswert, egal, ob ich oder XY am anderen Ende der Welt sie „geschmiedet“ hat.

D.h. die Fülle an Optionen allein schafft noch keine Komplexität im Spielverhalten.

Gut, was schafft denn Komplexität?

Wenn ich das so einfach sagen könnte, würde ich selbst Spiele machen. Aber auf jeden Fall ist diese Komplexität gegeben, wenn ich ein klassisches Brettspiel wie „Die Siedler von Catan“ oder „Monopoly“ spiele.

Sind die Unterschiede da wirklich so hoch? Wird das von XY am anderen Ende der Welt nicht auch so gespielt wie von Ihnen?

Eben nicht. Denken Sie nur an den Raum, den der Handel zwischen den Spielern bei den Siedlern bekommt. Sobald das anfängt, kommt es zu den aberwitzigsten und unterschiedlichsten Situationen.  Da kann man gar nicht sagen, was komplexer ist: das Spiel zwischen Fremden, bei denen die objektiven Handelskompetenzen mehr Raum einnehmen oder das zwischen guten Freunden, bei denen die soziale Beziehung zum Tragen kommt. Der Handel zwischen Paaren beispielsweise ist das witzigste und ärgerlichste, da mit komplexeste Element in Gesellschaftsspielen wie Siedler oder Monopoly und so etwas finde ich bei Computerspielen einfach nicht.

Gehe ich bei Skyrim zu einem Händler, läuft das – unabhängig davon, daß es eine Fülle an Variationen gibt – immer gleich ab. Die Täuschung findet nur anfangs statt – wenn man sieht, daß es viele Händler gibt, daß die einem freundlich oder unfreundlich gesonnen sein können, daß man mit Ausrüstungsgegenständen und Fähigkeitswerten bessere oder schlechtere Preise erzielen kann. Da ergibt sich eine Palette von Möglichkeiten, aber deren Endlichkeit ist schnell erkannt und das Spiel beginnt, zu langweilen. Aber das Allerschlimmste ist die vermeintliche Stärke des Spiels: seine schiere Größe.

Wie meinen Sie das? Haben Sie nicht eben noch gesagt, daß die Endlichkeit der Möglichkeiten, also eigentlich eine begrenzte Größe, das ist, was Sie stört? Ist es da nicht von Vorteil, daß Skyrim riesig ist?

Wie gesagt, es ist umgekehrt. Weil das Spiel riesig ist, fällt einem viel mehr auf, daß sich das Prinzip wiederholt. Wenn man zehn Dungeons gesäubert, sich hochgelevelt, die Schätze verkauft und sich neue Ausrüstung gekauft hat, geht man los und versucht sich an stärkeren Gegnern. Dann merkt man schnell, daß der Level wieder nicht ausreichend ist, ebenso die Ausrüstung. Man müßte also nochmal zehn Dungeons säubern, um sich hochzuleveln und wieder neue Ausrüstung zu kaufen, um dann endlich größere Aufgaben zu meistern. Und weil Skyrim so riesig ist, hat man auch alle Gelegenheit dazu. Dieser ganze Schnickschnack, der Computerspiele so faszinierend macht – die grafische Präsentation, das Gefühl von Interaktion, dieses Eintauchen in eine andere Welt – das hält nur begrenzt. Man gewöhnt sich daran, und zuletzt durchschaut man nicht nur die Konstruktion, sie beginnt zu nerven. Wenn ich auf Level 30 Schmiedekunst anwende, nervt mich nichts mehr, als das warten darauf, daß der Schmied von seinem Amboß weggeht. Das soll realistisch wirken, schließlich kann man ja nicht an einen Amboß, der gerade benutzt wird. Aber es nervt einfach nur. Man schaut sich zu diesem Zeitpunkt dann diese Animation zum vielleicht 300. Mal an und man beginnt, den Schmied zu bekämpfen. Einfach nur, weil man will, daß er der Programmierer ist, der das verbrochen hat, oder einfach nur, um irgendetwas anderes zu tun und seinen Frust über diesen idiotischen Hyperrealismus loszuwerden, der völlig kontraproduktiv wirkt.

Aber der führt doch auch dazu, daß man in einer riesigen Landschaft mit überzeugend realisierter Schneefallgrenze im Gebirge steht. Wasser fließt fantastisch animiert durch die Gegend und Elche und Füchse kreuzen den Weg – das zieht einen doch in die Geschichte.

Ach ja, richtig: der Fuchs.

Die Füchse. Es sind mehrere. Dutzende.

Glauben Sie mir, und ich habe von Programmierung wenig Ahnung: es ist immer derselbe Fuchs. Dieselbe, unnötige Programmroutine, die mir vorgaukeln soll, daß ich gerade nicht vor meinem Schreibtisch, sondern in Skyrim bin.

Natürlich ist es eine Programmroutine. Mir ist klar, daß das kein echter Fuchs ist. Aber im Spiel, mit allem anderen dazu, mit den Bergen, Flüssen, Passanten, dem Tag und der Nacht, der Natur und eben allem anderen verschmilzt alles zu jener Illusion, die für mich funktioniert.

Das täte es auch für mich, wenn das Spiel kürzer wäre.

Aber ist nicht die epische Breite…

Bitte, nicht schon wieder. Die epische Breite ist epische Langeweile. Wäre das Spiel kürzer, straffer, dann würde man bestimmte Dinge nicht hundertfach machen und dann wäre die Illusion da.

Niemand hält Sie davon ab, die Hauptquest straff durchzuspielen – ohne die ganzen Nebenquests, derer Sie so schnell überdrüssig werden.

Können Sie mir verraten, wie das gehen soll: die Hauptquest straff durchspielen? Da scheitert man verdammt schnell an der eigenen Schwäche. Die „epische Breite“ ist kein Angebot, sie ist ein Muß. Ich muß extrem viel Zeit in Skyrim mit all diesem Firlefanz wie Alchemie und Schmiedekunst, Taschendiebstahl und Handel verbringen, um auch nur einen zweiten Schlag bestimmter Gegner zu überleben. Das macht keinen Spaß, das ist Quälerei.

Also Sie sind der Meinung, bei diesem Spiel habe man eine Idee – oder besser: die Standards der Rollenspiel-Ideenwelt – extrem aufgebauscht.

Ich würde eher sagen: extrem ausgedünnt. Deswegen braucht man ja auch zig Programmierer und Designer dafür: nicht zum Denken, sondern zum Ausformulieren eines immer gleichen Gedankens auf unterschiedliche Weise. Das hat man gründlichh übertrieben.

Richtig. Kommen Sie deshalb auf den Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück: die Retro-Szene. Was war früher anders als heute bei Skyrim?

Natürlich gab es auch damals schon den Versuch, epische Storys in unüberschaubaren Welten zu schaffen. Aber erstens wurde das auch sauberer gemacht und zweitens haben die Spiele dort, wo man es nicht gemacht hat, spaßiger. Die Beschränkung auf 64 KB ließ einen Programmierer gar nicht erst auf die Idee kommen, eine Idee auszudünnen, im Gegenteil: er mußte in knappe Speicherressource so viel Spielspaß wie möglich reinpacken.

 

Einspruch: als der C64 rauskam, galt er als Ressourcengigant. 64 KB und 16 Farben waren 1982 enorm.

Das war 3 Jahre später schon ganz anders. Und die vermeintliche Schwäche, also der Umstand, daß eben NICHT die Technik besser wurde, wirkte sich positiv auf die Spieleentwicklung aus. Auch 1985 und auch 2 Jahre später noch stand bei den meisten noch ein C64 zuhause, der kaum noch mit seiner Technik überzeugen konnte. Überzeugen konnten hingegen Spiele, die Spaß machten und die wurden auch produziert.

Idealisieren Sie nicht diese Zeit zu sehr? Es gab auch richtige Gurken wie Knight Rider oder Miami Vice. Oder denken Sie an die Iso-Action-Adventures. Die glichen sich wie ein Ei dem anderen.

Stimmt, es gab bereits damals schon einen Markt, der regelmäßig Mist produzierte. Ich rede nur von der Dimension, nicht vom Prinzip. Alles war kleiner, überschaubarer und das ist der Punkt: weil der C64 so lange nicht von der Bildfläche verschwand, war genügend Zeit für diese riesige Szene da, neben viel Müll auch so einigen heißen Scheiß zu produzieren. Heimcomputer kaufte man sich damals nicht mal eben so wie einen PC heute. 17 bis 30 Millionen C64 sollen verkauft worden sein und jahrelang haben Programmiere sich damit auseinandergesetzt. Da mußte auch viel Gutes dabei rauskommen, neben all dem Mist natürlich.

Der Umstand, daß die Hardware sich ständig verbessert und auch verkauft wird, führt dazu, daß sich die kommerzielle Spieleszene nur noch mit der Nutzung – nicht der Ausnutzung wie damals beim C64! – technischer Attribute befasst. Das Interessante, meine Hoffnung Schürende ist aber, daß die technische Entwicklung zwar ungebremst weiter geht, die Frage der technischen Nutzung aber allmählich beginnt, unwichtiger zu werden. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem Spiele heute technisch so ziemlich alles können – hohe Framerate in HD? Kein Problem. Bombast-Surround-Sound in 24 Bit-Qualität? Lange schon da. Das wird inzwischen selbst den Kids zu langweilig und neue Plattformen wie Casual-Games auf dem Handy lösen den klassischen Markt für Computerspiele langsam ab.

Finden Sie diese Rückkehr zum Spiele-Niveau von 8-Bit-Maschinen nicht irgendwo rückschrittlich?

(Fortsetzung morgen)

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