Herr Braybrook, Sie sind den Pavillonisten beigetreten, verlangen aber ein „Unfreiwilliger Pavillonist“-T-Shirt.
Damit bringe ich zum Ausdruck, daß ich viele Positionen kritisiere, nicht aber den Willen zur Veränderung.
Beispiel?
Die Idee der Vernetzung ist grundsätzlich gut. Sie steht für den Gedanken der Partizipation. Menschen sind in vielen Bereichen des Lebens gut in der Lage, sich selbst zu organisieren.
Was haben Sie dann gegen das „Schwarmprinzip“?
Sich selbst zu organisieren heißt nicht, daß man ab jetzt und für immer ohne Führung ist. Masse braucht Führung, sonst ist sie kopflos im Sinne von hirnlos. Individuen geben sich in der Masse auf, ganz automatisch. Ob sie dies in einer Graswurzelbewegung tun oder nicht, spielt keine Rolle, die Auswirkungen können fatal sein. Der Schwarm funktioniert nach anderen Prinzipien als dem hehren Ziel der Partizipation als demokratischem Element. Sehen Sie sich einen Heuschreckenschwarm an. Der frißt jegliche Vegetation leer, hinterläßt verwüstete Landstriche. Man könnte sagen, daß da ein partizipatorisches oder anarchistisches Element zu entdecken wäre, aber es ist eben nur ein Element. Da gibt es noch die Auswirkung: totale Verwüstung.
Die Natur gleicht das wieder aus.
Ja, die Natur kann auf das Leben eines Landstrichs verzichten. Sie hat Generationen lang Zeit, dies wieder auszugleichen. Sie hat unbegrenzten Raum – in der Logik der Natur steht die Wüste ja nicht für Zerstörung und Elend. Sie erfüllt in der Gesamtökologie einen wichtigen Zweck, ist für das Klima ausgleichend wichtig, bietet spezialisierten Lebensformen Platz.
Klingt doch gut: in der Natur gibt es kein Leid, alles wird ausgeglichen.
Übertragen Sie das mal auf die Wirtschaft: denken Sie an Unternehmen, die ihre schlechte Bilanz durch Entlassungen ausgleichen. Dadurch wird kurzfristig viel Geld gespart und unter Umständen erholt sich das Unternehmen nach einer Zeit.
Hart, aber was soll man sonst machen?
Ja, interessiert es Sie nicht, was mit den entlassenen Menschen geschieht, die vielleicht Familien haben und plötzlich ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können? Arbeitslosigkeit, Wohnungswechsel oder gar – losigkeit, Folgeprobleme wie prekäre familiale Lebenslagen? Haben Sie die Athmosphäre in einer Hartz IV-Familie schon mal erlebt? Wenn es ständig darum geht „wie war die Jobsuche?“, „wir haben eine Rechnung erhalten“ und „die Kinder fahren ins Schullandheim und brauchen Taschengeld“? Weiter ist es bekannt, daß sozial unterschichtete Kinder schlechtere Chancen im Bildungssystem haben. Zudem werden Menschen in prekären Verhältnissen öfter krank, leiden öfter unter Depressionen.
Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf familiale Systeme sind mir bekannt.
Dann werden Sie mir zustimmen, daß es also mehr als naturwissenschaftlicher Prinzipien bedarf, um ein Unternehmen zu steuern.
Natürlich gibt es soziale Fragen, aber muß ein Unternehmen sozial sein?
Ja, wer denn sonst? Der Staat? Der ist damit überfordert, wenn er gleichzeitig freiheitlich handeln will. Der Spagat zwischen Freiheit für eine gesunde Wirtschaft und Lenkung der Wirtschaft zum Zwecke sozialer Gerechtigkeit ist zu groß für „den Staat“. Das sind diametral entgegengesetzte Kräfte, die ziehen und zerren und die müssen auf Protagonisten verteilt werden – Arbeitgeber und Gewerkschaften zum Beispiel.
Unternehmen stehen vor der Aufgabe, soziale Elemente in ihre Vision zu integrieren und selbst da wird es schwierig. Aber es ist eine Chance, denn die Menschen, aus denen Unternehmen bestehen, verbringen einen Großteil ihres Lebens in Arbeitsverhältnissen. Das prägt deren Denke, Werte, Deutungen, Überzeugungen, ihr Handeln. Wenn das Unternehmen nur Platz läßt für Profit und Rationalisierung, geschieht zweierlei: erstens zerstört das die Unternehmenskultur – d.h. Arbeitnehmer, die in dieses Schema nicht reinpassen, verabschieden sich mit der Zeit oder scheitern und zweitens bildet sich eine informelle Unternehmenskultur, damit der Laden überhaupt läuft.
Klingt doch nicht schlecht: wenn das Unternehmen versagt, sorgen die Mitarbeiter für Kompensation. Das Prinzip der Selbstorganisation funktioniert doch.
Das ist keine Selbstorganisation, sondern Zerfall. Langfristig zerstört die Entfernung der Chefetage von den Mitarbeitern das Unternehmen. Natürlich kann man, wenn man diesen Vorgang mit der Natur vergleicht, sagen: das ist natürliche Auslese, da hats zwischen Chefetage und Mitarbeiterebene nicht geklappt und wenn damit ein ungesundes Unternehmen zugrunde geht, macht es Platz für den nächsten Versuch der natürlichen Wirtschaftslandschaft, einem gesunden Unternehmen die Chance zu geben. Aber was ist mit den Arbeitnehmern – können die sagen: „hat nicht geklappt mit dem Unternehmen, in dem ich gearbeitet habe. Also jetzt erst mal ein paar Monate arbeitslos und dann schauen, wie es weitergeht.“?
Es ist ein Unterschied, ob ich als Chef Raum gebe für Diskussionen und diese auch wertschätze oder ob ich Diskussionen unterdrücke und die Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand lästern. Das sind zweierlei äußerst unterschiedliche Arten von Kommunikation. Ich fürchte, bei der letzteren wird das Unternehmen darunter leiden.
Die Pavillonisten sind aber eher in der Politik denn in der Wirtschaft beheimatet.
Das ist noch schlimmer. Politik ohne Gesamtverantwortung hat noch weitreichendere Folgen als Unternehmensführung ohne Verantwortung. Es sind mehr Menschen betroffen. Um genau zu sein: alle Menschen des Landes.
Die einzelnen Zellen der Pavillonisten können doch auch soziale Interessen verfolgen.
Und sie können es auch lassen. Das Partizipationsprinzip allein gewährleistet nicht soziale Gerechtigkeit. Es ist lediglich ein Weg der Teilhabe an politischen Entscheidungen, nicht derer Inhalte. Eine Gesellschaft kann sich dafür entscheiden, Menschen von gesellschaftlichen Gütern auszuschließen und sie kann dabei das Partizipationsprinzip völlig einhalten.
Glauben Sie, die Mensche seien so blöd?
Das hat nichts mit Blödheit zu tun. Wenn Ressourcen knapp sind, beginnt das große Ziehen und Zerren. Das ist nur menschlich, hat aber unmenschliche Folgen für Einzelne, meistens die Schwachen. Genau deshalb hat man sich immer schon mit der Frage beschäftigt, wie auch jene ihr Stück vom Kuchen abbekommen können, die des Ziehens und Zerrens nicht mächtig sind. So etwas kann man nicht dem Willen der Mehrheit überlassen, weil die Mehrheit nur ihre Interessen verfolgt – vor allem, wenn die Güter knapp sind. Haben sie schon mal eine Panik erlebt? Da geht’s drunter und drüber. Aber es muß noch nicht einmal die Panik als Beispiel herhalten. Da reicht schon der Sommerschlußverkauf oder die Eröffnung des Buffets. Die Leute sind blind, sie sind berauscht vom Konstrukt der Partizipation als Allheilmittel.
Sie spielen auf die Erfolge der Piratenpartei an.
Ja, die halten sich für eine Bewegung aus dem Volk heraus und das Internet mit seinen sozialen Netzwerken ist für sie DER Garant für eine Demokratisierung.
Ich nehme an, Sie sagen mir gleich, warum das nicht der Fall sein soll.
Zunächst einmal hat nicht jeder Zugang zu den Gütern, die einen Piraten ausmachen.
Nicht jeder hat einen Internetzugang, aber das wird sich ändern und die Piraten wollen dies sogar beschleunigen.
Der Internetzugang allein bewirkt noch kein politisches Engagement. Die 20 – 30 € für eine Internet-/Telefonie-Flat kriegen bis auf wenige sehr arme Menschen die meisten noch zusammen. Es ist wie mit dem Fernsehen: da steht vielleicht dasselbe Gerät in zwei Haushalten, aber es laufen unterschiedliche Programme. Die Möglichkeit allein bedeutet noch nicht, daß sie auch genutzt wird. Die Piraten schließen zu sehr von sich auf andere. Die Vernetzung, die die wahrnehmen und deren Teil sie sind, betrifft viele Volksgruppen nicht. Und damit meine ich noch nicht einmal marginalisierte Bevölkerungsgruppen in prekären Lebenslagen, sondern auch technikfremde Volksgruppen. Also Leute, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Berufstätigkeit keinen oder einen eingeschränkten Zugang zum Internet haben. Oder solche, die ihn gar nicht haben wollen.
Die Welt da draußen ist anders als jene, die die Piraten durch ihren Bildschirm sehen. Vernetzung bringt denen etwas, weil die eine gewisse Homogenität haben. Ist dies nicht gegeben, kommt es zu widersprüchlichen Interessen und dann wird nicht vernetzt, dann werden Machtkämpfe geführt.
Beispiel?
Beispiel: Filesharing. Sie tun es, weil sie es können. Was meinen Sie, warum die Volksmusik-Industrie einen vergleichsweise geringen Einbruch zu verzeichnen hat? Deren Konsumenten sind fürs Filesharing einfach nicht technikaffin genug.
Anders bei den Piraten: viele haben schon beruflich im Internet zu tun. Da rattern die Feeds und ständig wird gebloggt, gemailt, getwittert. Dementsprechend wissen die schon lange, wie man Daten austauscht und Filesharing-Plattformen sind da, weil die es so gebraucht haben. Vernetzung ist da völlig normal.
Und das Schlimme ist nun, daß die daraus ihre Werte ableiten. Die wollen Filesharing betreiben, also muß man das auch dürfen. D.h. erst wird gehandelt, dann wird das Handeln im Nachhinein legitimiert. Da frage ich mich, wozu man Gesetze überhaupt braucht.
Deshalb sind naturwissenschaftliche Prinzipien auch so wichtig für diese Bewegung: der Schwarm hat recht, was immer er tut, wo immer er sich auch hinbewegt. Die Piraten sagen das ganz offen: die Entwicklung im Internet ist nicht mehr umkehrbar, und weil das so ist, muss das Urheberrecht abgeschafft werden. Es sei nicht mehr zeitgemäß, gehöre abgeschafft, weil sich so gut wie keiner mehr daran hält.
Als Feindbild muß dann die „Musikindustrie“ herhalten. Das ist natürlich schön bequem – „die Musikindustrie“ – wer ist das? Sind das die großen Plattenfirmen wie Sony, BMG und EMI? Also Konzerne? Das ist deshalb bequem, weil man keinen Schuldigen direkt benennen muß. Feind ist ein Konzern und wenn man die Musik nicht bezahlt, die der auf CD oder per Download verkauft, hat man ja keinen Menschen geschädigt, sondern einen bösen Konzern. Das erinnert mich an japanische B-Movies aus den 70ern oder an Resident Evil, an Fantasy oder Starship Troopers: Gewalt ist eigentlich schlecht, aber da ausnahmesweise vollkommen OK, weil das ja Maschinen oder Zombies, Orks oder Bugs sind, die vernichtet werden.
Im Übrigen trifft es noch nicht einmal „die Konzerne“ oder jene, die dort arbeiten und selbst keine Musik herstellen. Es trifft also nicht diejenigen, die Musik vermarkten. Die werden am ehesten noch den Transfer zu neuen Wegen der Vermarktung hinbekommen. Es trifft die Autoren und Musiker.
Ein Autor lebt nun einmal davon, daß die Musik, die er komponiert, gehört wird. Das so hinzubekommen, daß viele Menschen immer wieder hinhören, ist eine Kunst und die muß man sich oft erarbeiten. Gleiches gilt für Musiker: die liefern eine Dienstleistung ab und je mehr CDs bezahlt werden, desto mehr Geld verdienen die daran.
Der Kampf gegen Konstrukte ist in seinem Wesen höchst faschistischer Natur und wenn man sich die Videos von Anonymous ansieht, fühlt man sich doch unweigerlich an faschistische Propagandavideos erinnert. Der Inhalt ist ebenso bedenklich. Die demonstrieren gegen das Bankenwesen. Wieder so ein Konstrukt. Das kennen wir von dem angeblichen „Weltjudentum“ – man konstruiert einen ungreifbaren Feind, schreibt ihm die Schuld an einem Mißstand zu und das wird dann als Legitimation dafür genommen, greifbare Personen anzugreifen. Die Nazis haben sich darin ihre Legitimation für ihre Verbrechen an den Juden zurechtgelegt.
Das alles paßt den Piraten ins Bild. Sie negieren die Existenz geistigen Eigentums, damit sie Content stehlen und weiterverbreiten dürfen. Sie stellen die Freiheit auf die Stufe der Werte, dabei ist die Freiheit ein Mittel für das Gute wie das Schlechte – eine Antwort auf dringende soziale Fragen habe ich in deren Programm nicht gefunden. Sie bewegen sich im Umfeld von Anonymous – einer Organisation, die gegen „die Banken“ vorgehen will. Da haben wir es wieder: ein Mißstand wird einem Konstrukt, als „den Banken“ zugeschrieben. Das wiederum mündet in Cyber-Angriffen auf die Internetpräsenzen der Banken, was wiederum reale Personen schädigt, siehe „Operation Payback“ oder die „Operation Sony“. Bei der Gema ist es ebenso: wenn die Seite der Gema lahmgelegt wird, laufen Dienstleistungen wie die Musikrecherche nicht mehr. Rechnen Sie sich mal aus, was das bei 65000 Mitgliedern für einen Schaden anrichtet. Das ist also nicht eine ominöse „Industrie“, das sind reale Personen, Autoren, deren Werke online nicht mehr gefunden werden können, weil die Site lahmgelegt ist.
Wir können nicht einerseits behaupten, gegen Korruption zu sein (was ja das Fehlverhalten von Individuen ist) und andererseits keine Namen nennen. Wenn wir sagen: die Banken sind schuld – dann halte ich das für ein Konstrukt und zwar für ein gefährliches. Gefährlich nicht nur deshalb, weil wir damit eine Legitimation schaffen, Menschen zu verurteilen (und wie Anonymous zu bestrafen) allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Menschengruppe. Gefährlich auch deshalb, weil wir uns selbst dadurch zu Unmenschen machen.
Wie definieren sie „Unmensch“? Ist das nicht ein Widerspruch zu der Menschenwürde, die sie genannt haben?
Überhaupt nicht. Denn nach wie vor glaube ich, daß jeder Mensch eine unveräußerliche Menschenwürde hat. Das heißt aber nicht, daß er gefeit davor ist, Fehlverhalten an den Tag zu legen. Andere zu verurteilen oder zu schädigen, nur weil sie einer Gruppe von Menschen angehören, ohne Sicht auf den Menschen selbst, das halte ich für unmenschlich. Deshalb spreche ich diesen Leuten nicht die Menschenwürde ab. Die haben sie nach wie vor. Und gleichzeitig handeln sie anderen gegenüber menschenunwürdig, kriminell, unmoralisch.
Halten sie Anonymous für eine kriminelle Organisation?
Ich halte den Cyber-Angriff auf Websites wie jene der Gema für kriminell und jeder, der sich daran beteiligt hat, hat kriminell gehandelt.
Anonymous sagt das Gleiche über die Gema.
Mit dieser Argumentation legitimieren auch Terroristen ihr Tun. Für sie haben die knapp 3000 Toten der Anschläge vom 11. September im besten Fall den Status eines Kollateralschadens. Dasselbe ist ja das Argument der Piraten: im besten Fall zeigen diese noch eine gewisse Art von Verständnis für Autoren, aber ihrer Meinung nach sind sie durch ihre Mitgliedschaft bei der Gema eben im falschen Boot und dürfen entrechtet werden. Und deshalb ist für die Piraten das Urheberrecht ebenfalls Unrecht. D.h. die demontieren Stück für Stück alles, was ihrem Vorteil – dem Datenklau – im Weg steht. Die zimmern sich ihr Weltbild zurecht.
Teilweise lese ich auch so völlig abstruse Erklärungsversuche für das Filesharing wie: „ich unterstütze Autoren, bin aber gegen die Industrie“ – Filesharing also aus reiner Menschenliebe womöglich… das muß man sich mal vostellen: da kopiert sich einer die Musik eines Künstlers, zahlt keinen Cent dafür und bildet sich womöglich noch ein, den Autor zu unterstützen. Weil die Industrie ihn ja ausnimmt. Was er ja nicht tut, wenn er Musik kopiert.
Aber selbst, wenn das Filesharing moralisch verwerflich ist, ist doch der Kampf dagegen dennoch zumindest aus funktionaler Sicht verloren. Die Strafen, so drakonisch sie auch sind, scheinen offensichtlich kaum jemanden abzuschrecken. Welche bessere Strategie fällt Ihnen denn ein?
Warum sollen wir nicht wieder darüber reden, daß der Mensch mehr ist als tumbe Materie? Wenn man so etwas Immaterielles wie persönliche Daten für schützenswert erklärt – wo ja besonders die Piraten hochsensibel sind – muß man doch auch anerkennen, daß Musik etwas Immaterielles, aber Seiendes ist. Es ist nicht nur eine beliebige Anordnung von Tönen oder Artikulation. Es steht für eine Person, die es ausgesandt hat, um andere Personen zu erreichen. Es steht für die Arbeit, den künstlerischen Werdegang, die Auseinandersetzung mit sich selbst als Person und der Umwelt. Wie kann jemand auf die Idee kommen, die Persönlichkeit eines Menschen würde verletzt, wenn man dessen Daten weiterverbreite, aber gleichzeitig sei es keine Verletzung seiner Persönlichkeit, wenn man seine ureigene Musik verbreite, ohne ihn dafür zu entlohnen?
Ganz abgesehen davon ist es mir vollkommen egal, ob der Kampf gegen den Contentdiebstahl verloren ist oder nicht. Damit würde ich mich ja auf dieselbe positivistische Stufe stellen wie die Heuschrecken, die alles leerfressen.
Sind sie der Bauer, der in sein von Heuschreckenschwärmen zerstört werdendes Feld rennt und die Heuschrecken aufscheucht?
Nein, ich sitze daneben und gieße mein Pflänzchen. Das haben die noch nicht entdeckt und solange lassen die mich auch in Ruhe. Ich sitze da, beträufle das zarte Ding und denke über all die Arschlöcher nach, die den Acker leerfressen. Sie sind sich keiner Schuld bewußt, denn jede frißt ja „nur“ sich satt. Sie ignorieren den Anblick, der sich ihnen böte, wenn sie nur mal ein paar Meter nach oben fliegen würden: die vollständige Zerstörung einer Lebensgrundlage. Sie ignorieren es, weil sie selbst damit beschäftigt sind, zu fressen. Aber das Schlimmste ist: das sind keine Heuschrecken. Das sind Menschen, die sich selbst zu Heuschrecken degradieren. Sie sprechen der Kunst das Individuelle ab, weil ihrer Meinung nach alles von Künstlern Geschaffene auf bereits Bestehendes zurückgreift und es nur neu zusammensetzt. Wie kann man vor einem Bild von van Gogh stehen und sagen: „das ist im Prinzip dasselbe, was da Vinci gemacht hat – es ist Ölfarbe, es ist Leinwand, da ist ein Mensch und eine Landschaft abgebildet.“
Soviel zur Sinnhaftigkeit naturwissenschaftlicher Ansätze der Erklärung unserer Wirklichkeit.
Soviel zum Schwarmprinzip. Was ist nun mit den Pavillonisten?
Ich mag sie,solange sie an genau dieser Diskussion interessiert sind. Meine Frage nach dem „-ismus“ als Form der Uniformierung hat doch einige aufgeschreckt. Keiner will einem Ismus angehören. Solange die Frage danach, inwiefern Vernetzung ein Teil, oder besser: „nur“ ein Teil von Demokratie sein kann, erlaubt ist und wohlwollend behandelt wird, bleibe ich dabei.
D.h. Sie sind Pavillonist?
Ich bin für mehr Partizipation, aber sie darf nicht als Allheilmittel gelten. Es gibt keine mechanistische Verbesserung unserer Lage und ich fürchte, wir werden das schon zu einem Teil noch selbst in die Hand nehmen müssen.
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