Feyd und die Telespiele

[Update 26.06.2014]

In diesem Artikel  packt ein F2P-Insider aus und illustriert somit eindrücklich die Aussagen in diesem Interview.

[Update Ende]

Herr Braybrook, was haben sie seit ihrer Skyrim-Tirade gespielt?

 

Jedenfalls keine sogenannten „Open-World-RPGs“ mehr. Die Gründe habe ich ja genannt, aber ich will sie nochmal kurz zusammenfassen: ein durchaus großer Kaugummi aufgebläht zu einem Mega-Riesen-Kaugummi hat genauso wenig Geschmack wie der 3 Tage alte Kaugummi meines Tischnachbarn in der Schule.

 

Igitt. Also was hat Ihnen denn eigentlich Spass gemacht?

 

Ich habe auf der Wii U „Zelda – The Skyward Sword“ (folgend: ZSS) durchgespielt (im Wii-Modus). Dann „Zelda – A Link Between Worlds“ (folgend: ZALBW)auf dem 3DS. Ausserdem spiele ich nach wie vor Flash Galcon (runterscrollen) und (leider) Die Stämme (folgend: DS).

 

Erläutern Sie.

 

Telespiele entwickeln sich zum Teil in eine bestimmte Richtung, die mir missfällt. Damit meine ich insbesondere die Merkmale „endlos“ und „jederzeit“. Bei solchen Spielen stehen meist kommerzielle Interessen im Hintergrund.

 

Zunächst aber erstmal zum Positivbeispiel Zelda: es ist im Prinzip zwar immer wieder dieselbe Spielmechanik, jedoch tut dies nichts zur Sache, da eigentlich jedes Abenteuerspiel dieselbe Spielmechanik hat. „Werde zu einem mächtigen Helden, besiege den Bösen und befreie die Prinzessin. Bis dahin erkunde Geheimnisse, finde Schätze und verbessere deine Fähigkeiten.“. Zelda sticht deshalb aber aus dem Genre heraus, weil sich diese Mechanik in einer nahezu perfekten Dramaturgie befindet. Jeder Meilenstein im Spielfortschritt ist wohlplatziert. Da macht es wenig aus, dass dieser im Grunde linear ist. Damit man aber seinen freien Erkundungsdrang ausleben kann, kann man mit jedem neu erworbenen Gegenstand bisher unerreichbare Teile der Spielewelt erkunden. Darum stört es auch nicht, dass man in jedem Teil der Serie den Bumerang oder den Enterhaken findet, denn die Gegenstände in herkömmlichen Action-Adventures heissen zwar immer anders und sehen auch immer anders aus, sind im Prinzip aber dasselbe, denken Sie nur mal an die Rüstungen bei Skyrim. Ganz besonders geflasht war ich von der neuen Fähigkeit, mich auf die Wand projizieren zu können (ZALBW). Damit hat man der Serie mal wieder richtig frischen Odem eingehaucht und als Spieler hat man dem Titel in keiner Weise übelgenommen, dass er in einer nahezu bekannten Umgebung gespielt hat.

 

RVL_ZeldaSS_08ss15_E3Schwerter gegen Monsterscharen? Auch in ZSS hat man neben dem Master-Schwert etliche Alternativen. Hier: die Schleuder.

 

Wie ist das mit Flash Galcon?

 

Flash Galcon kann man sich als eine Art action-orientiertes Risiko im Weltraum vorstellen. Gespielt wird in Echtzeit gegen reale Gegner. Man sieht eine Planetenkarte auf dem Bildschirm, wobei jeder Spieler einen Planeten bekommt, der pro Minute 100 Schiffe produziert. Per Mausklick werden dann Schiffe auf andere Planeten geschickt, per Mausrad oder Tastatur stellt man auf einfache Weise den Prozentsatz der zu entsendenden Schiffe ein. Treffen die Schiffe auf dem feindlichen Planeten ein, erfolgt eine simple Subtraktion. Schicke ich also 60 Schiffe auf einen Planeten, der beim Eintreffen 50 Schiffe hat, habe ich diesen erobert und er nimmt meine Farbe an.

 

galcon01Rot traut sich was: Gelb greift mit Übermacht an, dennoch schickt Rot seine gesamte Vetrteidigung nach Nordost. Aufgrund der hohen Verluste wird Gelb von Cyan oder Weiß nach diesem Phyrros-Sieg geschlagen werden – bei Galcon gibt es Wege, den Überlegenen durch Teamarbeit zu besiegen.

 

Klingt nach Risiko.

 

Ja, aber: das Tolle an Galcon ist, dass alles sehr schnell geht. Eine Runde geht je nach Teilnehmerzahl zwischen 30 Sekunden und höchstens mal 4 bis 5 Minuten. Da gibt es kaum Frust, selbst, wenn man verliert. Man fängt einfach von vorne an. Bei Risiko ist im Grunde fast alles nach dem Verteilen der Länderkarten gelaufen. Deshalb hat man gewisse Zufallselemente wie das Würfeln und unterschiedliche Aufträge ins Spiel gebracht und das entwickelt sich zum Nachteil. Sitzt man als Beginnender mit 3 Ländern in Australien, ist das Spiel fast schon gelaufen. Dann holt man sich durch das Erobern eines Landes den gesamten Kontinent und kann sich mit den zusätzlichen 2 Armeen in der nächsten Runde völlig einbunkern.

 

risiko_kampf_3Das „Australien-Syndrom“: Wenn Gelb gegen Blau gewinnt, gibt es kaum noch eine Chance, diese Situation zu ändern – Risiko ist eigentlich toll, hat aber ein echtes Problem mit der Chancenverteilung zu Beginn des Spiels.

 

Ich sehe auf dem Galcon- Screenshot aber ebenfalls unterschiedliche Szenarien mit teils weniger vorteilhaften Positionen auf dem Bildschirm.

 

1. Man kann dieses Anfangsproblem oft mit ein wenig Geschick beim Umlenken der Schiffe (ja, geht) ausgleichen – also Täuschungsmanöver starten, so dass der Gegner sein „Australien“ schutzlos hinterlässt, um einen anderen Planeten zu schützen.

 

D.h. Geschicklichkeit ist ein Faktor bei Galcon?

 

Richtig. Es ist ein Actionspiel, welches aber mathematischen Regeln folgt. Der stärkste Spieler kann seine Übermacht verlieren, wenn er sich dumm anstellt und in die volle Offensive geht. Und wenn man unterlegen ist, hat man dennoch eine gewisse Chance, sofern man ein wenig Geschick im Umgang mit Maus und Tastatur besitzt: man muss seine wenigen Armeen sorgfältig einsetzen, dann kann man damit auch einen stärkeren Spieler schlagen.

2. Es gibt kein Würfelglück bzw. -pech. Wenn ich mit einer Übermacht angreife, bekomme ich den Planeten, basta. Wer erinnert sich nicht an die äusserst frustrierenden Erlebnisse bei Risiko, wenn ein völlig unterlegener Mitspieler Dutzende der eigenen Armeen aufgerieben hat, einfach nur aufgrund von Würfelglück?

3. Zuletzt bilden sich bei einer scheinbar aussichtslosen Situation immer Koalitionen auf Zeit – denn der große Fisch ist ein Problem für alle kleineren Fische. Getreu dem „Swimmy“-Prinzip schliesst man sich also zusammen zum Zwecke des Aufbrechens der Hegemonialmacht.

4. Schliesslich ist nichts wirklich Schlimmes passiert, wenn man trotz aller Mühen den Hegemon nicht knackt, denn eine Runde dauert für gewöhnlich nicht länger als ein paar Minuten. Das Spiel macht Spaß, ist voller Aktion und neuer Situationen und wenn man verloren hat, fängt man einfach ein Neues an – es geht ja nur 1 – 3 Minuten. D.h. es ist gut möglich, den Zufallsfaktor „Anfangsposition“ durch eine entsprechend hohe Anzahl von Spielen auszugleichen, da man nicht viel Zeit dafür verbrät.

 

swimmy Kooperation als typisches Verhalten von Säugetieren bewirkt in menschlichem Spiel die Umkehr systemischer Verhältnisse: der Starke ist überwindbar, wenn die Schwachen zusammenhalten.

 

Der Spieler befindet sich bei Galcon ständig in der Schwebe zwischen Herausforderung und Beherrschung. Endlose Demotivation gibt es kaum, es sei denn, man gerät mal an einen Cheater, der sich einfach in einem zweiten (dritten, vierten) Tab Klone schafft, mit denen er abwechselnd die anderen angreift. Aber auch da finde ich Gutes in Galcon: der allzu oft beschworene soziale Aspekt in Online-Spielen führt dazu, dass sich die Spieler im unten eingeblendeten Chat über die Lage austauschen, zusammenschliessen und gemeinsam den Cloner bekämpfen, was dann fast noch mehr Spass macht als herkömmlich zu gewinnen.

 

Aber auch beim herkömmlichen Spiel ist es immer wieder eine besondere Freude, durch Zusammenarbeit ein scheinbar verlorenes Spiel zu kippen. Oder Nebenkriegsschauplätze zu provozieren, um sich dann von der anderen Seite her an den Kuchen zu machen. Das ist soziale Interaktivität im reinsten Sinne.

 

Sie sagten, sie spielten „leider“ DS.

 

Tja, vergessen Sie bei diesem Online-Browser-Spiel alles, was ich in bezug auf soziale Interaktion bei Galcon gesagt habe. Die Stämme bringt die schlechtesten Eigenschaften in sozialem Miteinander hervor. Ich hatte es einmal angefangen und dümple nun unterlegen so vor mich hin.

 

Sind Sie von der „Spiele-ohne-Gewinner“-Fraktion?

 

Überhaupt nicht. Auch ich spiele, um mich mit anderen zu messen und selbstverständlich spiele ich so, dass ich möglichst gewinne. Allerdings muss das Spiel so gestaltet sein, dass der Spieler gewinnt, der es am besten beherrscht. Das Können muss belohnt werden, nichts anderes. Ich muss also eine Chance haben. Bei DS ist es anders. Zunächst mal will ich es kurz erklären:

Man leitet ein Dorf, dass man in typischer Aufbaustrategie-Manier durch den Einsatz von Rohstoffenverbessern kann. Rohstoffe stellt man selbst her, kann diese aber auch von servergenerierten „Barbarendörfern“ farmen. Letztere sind meistens defensivlos und dienen im Grunde der Aufstockung der Rohstoffvorräte. Letztendlich geht es aber darum, andere Spieler zu bekämpfen. Dies kann man alleine, sollte es aber zusammen mit anderen tun. Dazu kann man sich mit diesen in Stämmen (daher der Name) verbünden.

Das Spiel ist Free-to-Play, allerdings kann man, wie bei dieser Art Spiel üblich, durch Einsatz von Geld allerlei „Spielerleichterungen“ dazukaufen (Premium-Account, folgend: PA). Diese Bezeichnung täuscht darüber hinweg, dass es eigentlich gewöhnliche Spielfeatures sind.

 

Bei F2P stehen grundsätzlich allen Spielern alle Features zur Verfügung.

 

Ja, aber in unterschiedlicher Qualität.

Der größte Nachteil bei DS ist der Faktor Zeit. Das Spiel fängt zunächst flott an, wird aber schnell dermassen langatmig, dass man nicht mehr von einem Spiel reden kann. Beispiel: der Ausbau des Walls von Stufe 1 auf 2 dauert 1 Minute.

 

Soviel Zeit habe ich.

 

Der Ausbau desselben Gebäudes von Stufe 19 auf 20 hingegen nimmt ca. 10 Stunden in Anspruch. Bei anderen Gebäuden wie dem Bauernhof dauert der Ausbau auf der höchsten Stufe schon mal 26 Stunden und mehr. D.h., man kann morgens um 8 den Ausbau des Bauernhofes in Auftrag geben und wartet dann bis zum nächsten Tag um 10 Uhr, bis man den Bauernhof auf der höheren Stufe nutzen kann. Als Spieler ohne kostenpflichtigen Premium-Account kommt erschwerend hinzu, dass man insgesamt nur 2 Bauaufträge in der Warteschleife haben darf. Das ist mit einem PA natürlich anders: mit diesem kann man PA-Punkte einsetzen, um die Bauzeit mal eben einfach zu halbieren, so oft man will. Auf diese Weise kann man auch die Rohstoffproduktion erhöhen. Kurz, es handelt sich hierbei um einen Ettikettenschwindel: klar, man kann DS theoretisch ohne Geld spielen, aber die Überlebenschancen gegenüber Spielern mit PA sind so gut wie nicht gegeben. Der Unterschied zwischen Gewinnchance mit und ohne PA ist gewaltig. Spieler, die Geld investieren, ziehen in kürzester Zeit ihre Dörfer hoch – während man selbst noch Wochen von deren Fortschritt entfernt ist. Kleine Erklärung mit Screenshot:

 

staemme

1.: heute ist der 28. März, 16.08 Uhr. Um mehr Einheiten rekrutieren zu können, muss ich meinen Bauernhof ausbauen. Das geht in diesem Fall 22 Stunden (2.) – also bis 29. März, 14.08 Uhr. Überhaupt produziere ich Rohstoffe so langsam, dass ich für den Ausbau erst am 11. April bereit bin (3.). Das sind dann mal eben 2 Wochen. Das heisst also, ein paar Wochen warten und Rohstoffe horten, um dann endlich den Bauernhof und die vielen anderen Gebäude auszubauen? Nichts dergleichen. Nur zwei Bauaufträge darf man im Voraus planen (4.). Konsequenz: entweder man kümmert sich zu den unmöglichsten Zeiten um den Weiterbau (hier: Freitag Abend um 21.55 Uhr – da habe ich ja nichts Besseres vor) oder man lässt die Arbeit liegen. Und verliert noch schneller. Es sei denn, man investiert echtes Geld in einen Premium-Account. Damit kann man z.B. die Ausbauzeit mal eben um die Hälfte verkürzen (6.). Dabei ist es aber egal, wie viel Geld man investiert – irgendwann verfällt der PA. Also entscheiden sich tausende von Spielern dafür, für einfachste Spiel-Features immer wieder zu bezahlen. Nur, um nicht Freitag Abends um 21.55 Uhr (und es gibt schlimmere Zeiten…) Bauernhöfe in einem Browserspiel ausbauen zu müssen.

 

Warum spielen Sie dann überhaupt noch?

 

Dazu muss ich sagen, dass ich DS nur noch sporadisch spiele. Ich habe damit angefangen, weil ein Kumpel mich eingeladen hatte. Aber eigentlich überlasse ich mein Dorf dort dem Schicksal und schaue nur noch selten rein. Wenn es erobert wird, ist das eben so und ich bin sogar ganz froh, wenn das zuende ist. Aber zu dieser Einsicht muss man erst einmal gelangen. Bis dahin investiert man recht motiviert einiges an Zeit, denn der Einstieg wird einem leicht gemacht, die Menus sind übersichtlich. Aber der Ausbau eines Dorfes mit Adelsgeschlecht – durch das man überhaupt erst in der Lage ist, andere Dörfer zu erobern – dauert ohne Einsatz von Geld einige Wochen. Und das Spiel macht ja erst ab dann eigentlich Sinn. Wird nun das mühsam eroberte Barbarendorf von einem PA-Besitzer mit Leichtigkeit plattgewalzt, ist all die Mühe der vergangenen Wochen dahin. In so einer Situation will man natürlich alles tun, das Dorf zurückzuerobern, aber ohne PA hat man schlicht keine Chance. D.h.: vom Hersteller InnoGames werden bewusst ahnungslose Neuspieler in diese Situation gebracht und angefixt. Durch die Zeit, die man investieren muss, findet eine enorme Identifikation statt. Jedoch startet man im Grunde von Anfang an ohne jegliche Chance, denn der Einstieg ins Spiel ist fortlaufend möglich und es gibt somit etliche Spieler, die einem um Wochen und Monate voraus sind. Das ist so, als würde man in ein Risiko-Spiel, das bereits seit mehreren Runden läuft, mit 3 Armeen pro Runde einsteigen. Und selbst, wenn man zu Beginn einer neuen Welt einsteigt, haben Spieler mit PA schnell die Nase vorn, denn deren Dörfer sind im Nu soweit ausgebaut, dass sie überlegen sind.

 

Wollen sie dieses Geschäftsmodell verbieten?

 

Das kann ich nicht. Aber DS gehört für mich eher in die Kategorie Glücksspiel denn sonst in eine Kategorie.

 

Wie meinen sie das?

 

Nun, es gibt eben Spiele, die in sich geschlossen den Zweck erfüllen, eine Art Wettkampf darzustellen. Dabei ist es wichtig, Chancengleichheit bereitszustellen, denn nur so kann man am Ende stolz auf den Sieg sein. Man hat dann nämlich durch sein (möglichst geschicktes) Verhalten bewiesen, dass man etwas auf dem Kasten hat. Bei DS gewinnt für gewöhnlich derjenige, der die meiste Kohle investiert.

 

Woher wollen sie das wissen?

 

Es gab aber ein paar Leute, die sich extrem dumm verhalten haben. Deren Angriffen ich ungeachtet ihrer Übermacht ein ums andere Mal standgehalten habe. Da sitzt man dann da und fragt sich, wie es sich solche Spieler leisten können, ihre gesamte Offensive auf dümmste Art zu verbraten und wieso die trotzdem so viele Dörfer besitzen und immer weiter dieselben dummen Fehler machen… die Antwort ist einfach. Die stecken massenhaft Kohle in dieses Spiel, da macht es nichts aus, wenn Angriffe in herben Niederlagen münden. Je nachdem, wie viel Geld man da reinsteckt, ist der „Neuaufbau“ einer Offensive ein Kinderspiel.

 

Sie sprachen von weiteren schlechten Eigenschaften, die DS hervorbringt.

 

Teamgeist kann man bei DS vergessen.

Einnern Sie sich an „Galcon“: die unterlegenen Spieler schliessen sich gegen den Hegemon zusammen, um zu vermeiden, dass er alles dominiert. Teamwork ist eine typisch menschliche Eigenschaft. Sie hat viel mit Kommunikation, Beobachtung, Kreativität und Intelligenz zu tun und all das braucht man, um bei Galcon zu überleben. Bei DS ist das Gegenteil der Fall: die Spieler tun so gut wie nichts, um zusammenzuarbeiten.

Das ist doch nicht wahr: der Unterlegene wird oft von vielen anderen angegriffen, auch, wenn diese nicht nur einem Stamm angehören. Und das passiert bei Galcon doch auch!

Ja, aber im Falle Galcon passiert das erst, wenn der Spieler völlig am Ende ist. Bis dahin schliessen sich die Unterlegenen automatisch zusammen. Vielleicht hilft dabei die grafische Darstellung und die Geschwindigkeit, in der man dem Hegemon beim Wachsen zusehen kann. Jedenfalls ist den anderen schnell klar: entweder, wir schliessen uns zusammen, oder wir sind alle dran. Bei DS ist es anders. Man hockt in seinem Dorf und versucht, Unterlegene zu besiegen oder sich defensiv einzubunkern. Man tut alles, nur eines nicht: den Hegemon angreifen, mit anderen kooperieren, Strategien austüfteln. Also immer nach dem Prinzip: nach unten treten, nach oben kriechen. Man tut so, als wüsste man nicht, dass der „Friede“ nur ein Friede auf Zeit ist – anstatt das Prinzip „großer Fisch frisst kleine Fische“  auszuhebeln, frisst man selbst die kleinen Fische auf, in der Hoffnung, einmal der größte Fisch zu werden. Dumm nur, dass man, je fetter man wird, umso interessanter für den ganz großen Fisch wird. Das ist kurzsichtig.

Beispiel:

Die Situation in meiner Gegend war bereits verfahren, als ich angefangen hatte. Ein bestimmter Stamm, „Zusammen einzigartig“ (folgend: ZE), entwickelte sich zum Hegemon. Sobald einzelne Spieler oder kleinere Stämme zu wachsen begannen, wurden sie plattgemacht. Das Spiel war also im Grunde gelaufen. Nun hatte ich die Idee, die Kräfte einzelner Spieler in einem Stamm zu bündeln sowie andere kleinere Stämme zu sowas wie einer Art Revolution zu bewegen. Ich schrieb also einige Mails und hatte schnell viele Leute im Boot – dachte ich. Als es dann aber soweit gewesen wäre, gleichzeitig anzugreifen, zog einer nach dem anderen den Schwanz ein. Die Ausreden waren immer die gleichen – hab kaum Offensive, bin mit Aufbau beschäftigt. Vereint hätte man ZE also niederringen können und alles andere wäre sowieso sinnlos gewesen, da es kein Nebeneinander in diesem Spiel gibt. Stattdessen haben die vielen kleinen Einzelspieler zu sehr an das Überleben am nächsten Tag gedacht.

 

Klingt vernünftig. Vorsorgen für den nächsten Tag.

 

Ist nur leider überhaupt nicht vernünftig, wenn man dadurch den Hegemon weiter stärkt und er dann am übernächsten Tag kommt und einen plattmacht.

Das ist also exakt so wie im echten Leben. Maulhelden gibts viele, aber wenns darauf ankommt, zieht aus Eigeninteresse kaum einer mit.

 

Das ist nun mal so im Leben.

 

Ja, aber muss das in Spielen dann auch so sein? Spiel ist ein Kulturgut, es bringt uns dazu, eine ideale Art von Verhalten zu ermöglichen – wenn ich König wäre, würde ich ein Land auf diese Weise regieren – wenn ich Angehöriger eines unterdrückten Stammes wäre, würde ich eine Revolution anzetteln, einen Schlachtplan ausarbeiten, einmal Braveheart sein usw. Das macht deshalb Spass, weil man weiss, dass man es ungeschadet ausprobieren, spielen darf. Und trotzdem, obwohl es nur ein Spiel ist, fesselt es uns und führt bestenfalls sogar zu einem Eintauchen in eine Spielwelt. Es lässt uns Erfahrungen in verschiedenen, sonst vielleicht unerreichbaren Rollen machen. Bei DS finden wir uns in der Rolle wieder, die uns in unserem langweiligen Leben schon nervt: entweder mit dem Hegemon (kann z.B. der Chef sein) arrangieren oder von diesem plattgemacht werden.

 

Sie reden von den Verlieren, den Unterlegenen – weil sie unterlegen waren? Was ist mit den Siegern? Ich nehme an, die werden Ihr Spielgefühl nicht teilen.

 

Das sind keine Sieger. Sie erkaufen sich einen Status in einer Spielwelt, weil das bisschen Geld, das sie in der echten Welt haben, in der Spielewelt viel verändert. Dazu sind Spiele nicht da – deren „kleines Abbild dieser Welt“ bedeutet ja nicht, dass man Dinge (hier : Geld) aus der echten Welt dazu nutzen darf, Größe im Spiel zu erlangen. Das ist Käse. So, als würde ich Monopoly spielen und mir mit echtem Geld ein Nachfüllpack Monopoly-Geld kaufen. Im Spiel fängt man quasi von vorne an, sonst macht das überhaupt keinen Sinn. Da kann man tausend andere Beispiele finden: der große Bruder, der beim Fussballspielen sowohl Teil einer Mannschaft als auch Schiedsrichter war. Sowas geht nicht, entweder ist man Spieler unter Spielern (und bereits da hat man einen Vorteil als großer Bruder) oder man ist Schiri. In Spielen müssen Rollen klar definiert sein und diese wiederum müssen unabhängig vom realen Dasein ausgespielt werden dürfen. Ein schlechtes Spiel macht aber genau das möglich: es gibt einen Spielvorteil durch den Status (oder das Geld) aus dem echten Leben.

Das ideale Spiel schafft eine eigene Welt, in die der Spielende nichts mitnimmt, was seinen realen Status beeinflusst. Der Gedanke, der dahintersteckt ist der der Chancengleichheit – Menschen, die im echten Leben zu „Verlieren“ gehören, können einen im Spiel schlagen. Haben sie schon mal Schach gegen einen der alten Arbeiter im Park gespielt? So schnell können sie gar nicht schauen, wie manche von denen sie Schachmatt setzen. Wenn das Schachspiel nur durch geistige Leistung zu gewinnen ist, müssten diese Leute also Doktoranden sein.

 

Stattdessen gehören sie zu den Verlierern?

 

Nur, wenn man in wirtschaftlichen und Status-Kategorien denkt. Deren Verdienst ist relativ gering, der Status als Arbeiter wohl auch, glücklich sind sie womöglich trotzdem. Und im Spiel beweisen sie, dass sie unter anderen Bedingungen

 

…idealen Bedingungen…

 

Spiele sind gehen immer von einem Idealfall aus. Also unter anderen, idealen – man könnte auch sagen gerechten –  Bedingungen wären die Machtverhältnisse in dieser Welt anders geartet.

 

Was macht der glückliche Feyd Braybrook, um mit DS klarzukommen.

 

Da bleibt eigentlich nur eines übrig: Account löschen. Oder die Revolution.

 

Das wird nicht gelingen, so wie sie die Situation beschrieben haben.

 

Dann habe ich es ZE bis zu meinem Ableben aber schwer gemacht. Ich erobere („adle“) Barbarendörfer, die die dann wieder plattmachen müssen. Dazu brauchen sie Geld. Also verursache ich denen Kosten.

 

Seien sie nicht so verbittert. Es mag ja stimmen, das DS ein blödes Spiel ist, aber wenn sie das als Plattform für ihre persönliche Rache nehmen, sind sie ein Teil des Systems – denn ändern werden sie die Situation nicht und alles, was das System nicht ändert, stützt es – Ihre Worte.

 

Da haben sie ausnahmsweise mal recht. Aber vielleicht bewege ich den einen oder anderen Süchtigen dazu. aus DS auszusteigen.

 

Keine Chance. Sie sind gefangen in ihrem persönlichen Krieg gegen das System und das leben sie bei DS aus. Da unterscheiden Sie sich nicht von jenen, die Geld investieren. Bei Ihnen ist es Zeit.

 

Wenig Zeit.

 

Egal, wieviel. In dieser Zeit könnten Sie bloggen. Geistreiches über Spiele schreiben. Spazieren. Irgendwas, nur nicht dieses Geklicke auf totem Grund.

 

Sie haben Recht. Die Motive sind austauschbar. DS zu spielen heisst, DS zu unterstützen – egal, ob mit oder ohne Geld. Ich lösche heute meinen Account und danach spiele ich wieder was Sinnvolles. Zelda zum Beispiel. Das hat einen klaren Anfang und ein klares Ende.

 

So wie dieses Interview.

 

Jepp.

 

Herr Braybrook, schönen Danke für das Gespräch.

 

Gerne.

 

Nachtrag 24.03.2014:

Wie sich herausgestellt hat, hat „Big Uschi“, ein angeblicher Spieler von ZE, unerlaubte Bots benutzt, um seinen Spielfortschritt zu beschleunigen. Aufgrund dieser Vorgänge wurde er gesperrt und alle seine Dörfer zu Barbarendörfern umgewandelt. Somit ergibt sich ein weiterer Beweis für die These, dass dieses Spiel negative Eigenschaften bnei Spielern hervorruft. Im folgenden der Rundbrief von InnoGames im originalen Wortlaut:

 

„Liebe Spielerschaft,

derzeit sind einige Spieler verunsichert und fragen bei uns nach, welche Skripte erlaubt sind und welche nicht. Daher wollen wir das für alle klarstellen:

Erlaubt sind nur die Skripte, die in der Skriptdatenbank gehostet sind, und auch nur in der Form, in der sie aus dieser heruntergeladen werden können. Wer in den letzten Tagen nach dem Update den vollen Code in seine Schnelleiste gesetzt hat oder als Userskript verwendet, muss das binnen 24 Stunden wieder auf die Initierungsskripte aus der Datenbank umstellen.

Alle anderen Skripte, die nicht in der Skriptdatenbank aufgeführt sind, sind verboten und führen zu Sperren und hohen Strafen.

Im Zweifelsfall ist der Support zu befragen.

An diesem Punkt noch eine Anmerkung zu den seit Ende letzter Woche gehäuft auftretenden Sperrungen wegen verbotener Hilfsmittel:

Wer sich im Spiel illegaler Hilfsmittel (unerlaubter Skripte, Bots, Exploits, etc) bedient oder bedient hat, wird hierfür entsprechend hart bestraft. Die Spielleitung führt derzeit eine groß angelegte und sehr koordinierte Operation durch, bei der Spieler, die sich eines speziellen unerlaubten Hilfsmittels bedient haben, gesperrt werden. Bisher wurden bereits mehrere hundert Accounts gesperrt.
Es liegen in diesen Fällen eindeutige technische Belege vor, die die Nutzung der verbotenen Hilfsmittel aufzeigen.
Dieses Hilfsmittel war schon immer verboten und der Vorgang steht in keinem Zusammenhang mit der Skriptdatenbank bzw. der oben aufgeführten eventuell vorhandenen Unsicherheit was die Skripte allgemein betrifft.

Als Betreiber ist InnoGames natürlich sehr darauf bedacht, dass das Spiel für alle Beteiligten möglichst fair abläuft. Wer sich verbotener Hilfsmittel bedient, verstößt ganz klar gegen dieses Prinzip und tut letztlich weder sich, noch seinen Mitspielern einen Gefallen.
Diskussionen über Sperrungen im Forum sind laut den Forenregeln nicht gestattet und werden daher auch nicht geduldet. Prinzipiell können gesperrte Spieler einen Widerspruch gegen ihre Sperrung beim Support einlegen.

Wir möchten an dieser Stelle nochmals eindringlich alle Spieler darauf hinweisen, dass die Spielleitung in solchen Fällen sehr hart durchgreift und natürlich auch Verstöße in der Vergangenheit ahndet.

In diesem Sinne: Spielt fair!

Euer
DS-Team“