Von Stuttgart 21 lernen heißt…

Heute hat der Lenkungskreis zu Stuttgart 21 getagt. 3 Monate zu spät, denn vertraglich ist ein Turnus von 6 Monaten vorgeschrieben. Der letzte Lenkungskreis ist allerdings 9 Monate her.

Von unseren Kindern erwarten wir, dass sie sich an Termine halten.

Bei Stuttgart 21 lernen sie: es ist „normal“, den Zeitrahmen zu überschreiten, denn „Verzögerungen im Rahmen grosser Bauprojekte sind nichts Ungewöhnliches“.

Wir erwarten von ihnen, dass sie sich nicht rausreden.

Bei S21 lernen sie: schuld an gestiegenen Kosten und Zeitverzögerungen sind die Gegner, schuld sind die Extrawünsche (also so was völlig Unnötiges wie Brandschutz), schuld ist die Regierung, aber keinesfalls jene, die S21 planen.

Wir erwarten von ihnen, dass sie die Regeln unserer demokratischen Grundordnung akzeptieren.

Bei S21 lernen sie: die demokratisch gewählte Landesregierung wird diffamiert, weil sie gemäß ihrem Wahlversprechen Bauanträge genauer prüft als es die Bahn tut (was ihr vermutlich geholfen hätte, die Kostenexplosion zu vermeiden).

Wir erwarten von ihnen, mit Geld hauszuhalten.

Bei S21 lernen sie: Geld erbitten, Mehrkosten verursachen, die Schuld dafür abweisen, und das alles als „Normalität“ hinstellen („Ich kenne kaum ein Projekt, das zu dem Betrag fertig wird, den man zuerst ausgerechnet hatte“  – Bundesverkehrsminister Ramsauer).

Wir erwarten von ihnen, Wort zu halten.

Bei S21 lernen sie: man kann, wie Bahnvorstand Grube vor der Volksabstimmung, 4,5 Mrd € als absolute Obergrenze angeben, aber wenn diese Obergrenze 1 Jahr später um 2 Mrd € überschritten wird, ist das „normal“ bei Großprojekten – „Wer mit wahren Zahlen operiert, verliert“.

Wir erwarten von ihnen, Kritik anzunehmen.

Bei S21 lernen sie: Gutachten der Gegenseite und sogar neutrale Gutachten (Bundesrechnungshof Anno 2008) werden ignoriert, stattdessen werden eigene Gutachten in Auftrag gegeben, die den eigenen Kurs nicht korrigieren, sondern bestätigen.

Wir erwarten von ihnen, dass sie lernen, ihre Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

Bei S21 lernen sie: Bereitschaftspolizei und Wasserwerfer gegen demonstrierende Kinder, Jugendliche und Rentner. Und Freund Hauk von der CDU kommt dann daher und wirft den Leuten vor, sie hätten ihre „Kinder instrumentalisiert„.

Die konservative Ecke, aus deren Mitte sich die S21-Lobby größtenteils rekrutiert, ist es auch, aus deren Ecke ständige Kritik an Computerspielen wie GTA oder Gangsta-Rappern kommt. Es heisst, unsere Jugend sei verroht, schlecht erzogen, untugendhaft.

Das ist die pure Heuchelei.

Es heißt seitens der S21-Lobby, Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen seien völlig normal bei Bauprojekten.

D.h. wie haben uns ein Wirtschaftssystem geschaffen, in dem es völlig normal ist, dass Aussagen nichts gelten (aus 2,6 Mrd € wurden inzwischen 6,8 Mrd €). Dazu folgende Einschätzung Karl Heinz Däkes, ehemaliger Präsident des Bundes deutscher Steuerzahler:

„Denn man braucht politische Entscheidungen. Und die bekommt man offenbar nur, wenn man die Kosten relativ gering hält. Und wenn etwas in Beton gegossen ist, wenn man angefangen hat zu bauen, kann man nicht mehr zurück. Dann muss man weitermachen. Und dann steigen die Kosten“.

Wir pflegen einen Umgang der Egozentrik in der politischen Kultur (Kritik wird diffamiert, Kritiker werden als Spinner, Alkommunisten, Linke Chaoten usw. etikettiert). Wir übernehmen keine Verantwortung für kommende Generationen – wichtig ist, dass jetzt Geschäfte gemacht werden – ob sie sich in Zukunft rechnen oder nicht.

Ich akzeptiere, dass viele Leute einen positivistischen Umgang mit der S21-Misere haben: sie sagen, man könne ja doch nichts daran ändern, es werde ja schon gebaut, ein großer Teil des Hauptbahnhofes sei  ja schon abgerissen usw.

Nur verstehe ich nicht, wie dieselben Leute sich dann über „die“ Manager und „die“ Banker aufregen können, denen ja Egozentrik, Verantwortungslosigkeit und eine „es ist nun mal so“-Mentalität vorgeworfen wird.

Es ist nun mal so und man kann nichts ändern?

WER AUSSER UNS SOLL DENN SONST ETWAS ÄNDERN KÖNNEN?

Wo ist das Problem? Welche Zukunftsvision wäre denn schlimmer:

„…wißt ihr noch, damals? Als rauskam, dass S21 immer teurer wird und immer später fertigwerden soll? Zum Glück haben die das damals gestoppt – lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Man hat den alten Bahnhof saniert und den Park aufgeforstet. Das hat übrigens auch nicht der liebe Gott getan, das haben Firmen aus Baden-Württemberg getan, mit Arbeitern, die Lohn erhalten haben und vom sanierten Bahnhof hat Stuttgart ebenfalls profitiert.“

oder:

„…wißt ihr noch? Als rauskam, dass S21 immer teurer wird und immer später fertigwerden soll?

Damals hat man gedacht: Augen zu und durch. Noch teurer wird’s nicht, noch länger kann es nicht dauern. Und schließlich hatten viele auch Angst vor den Ausstiegskosten, weil ja etliche beteiligte Firmen hätten entschädigt werden müssen. Und dann wurde das Ding durchgezogen.“

Ich habe bei der letzten Vision absichtlich nicht geschrieben, dass es tatsächlich noch teurer geworden ist und noch länger gedauert hat, damit mir keiner vorwerfen kann, ich hätte eine übertrieben düstere Zukunftsvision gezeichnet. Das heißt: alles, was da oben steht, sind unangezweifelte Fakten, wie sie bisher vorliegen. Aber ich gehe jede Wette ein, dass die 6,8 Mrd € und die bisherige Verzögerung von 2 Jahren noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sind. Dazu muß man nur den Verlauf der Chronik anschauen.

Um auf die Frage der Pädagogik zurückzukommen:

Unsere Kinder lernen ja leider nicht, dass dieser Typus Mensch, der S21 verbockt, ein kritikresistenter Wortbrecher, Verschwender, Egomane ist. Sie lernen diesen Typus Mensch als erfolgreich und sexy kennen. Immer mobil, dickes Auto, schönes Haus, durchsetzungsfähig, elegant usw.

DAS ist es, was als erstrebenswert vermittelt wird, weil alles in Geld und Erfolg gemessen wird und in diese Äußerlichkeiten werden Charaktereigenschaften reininterpretiert, die konstruiert sind.

Und DAS ist es, was unsere Kinder in unserer Gesellschaft lernen: all das Gerede von Menschlichkeit, inneren Werten, „gutem“ Handeln und Denken – das ist alles Mumpitz, den uns die Eltern zuhause erzählen, weil sie vom anderen Stern kommen. Aber die Realität ist anders und da muss man sich durchsetzen – mit Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Freundschaft, inneren Werten kommt man nicht weit. Ein dickes Auto bekommt man nur, wenn man sich dick macht, die Ellbogen rausfährt usw.

Die Kinder und Jugendlichen sind nicht daran schuld, dass sie Bushido und Sido gut finden. Daran sind wir selbst schuld. Mit jedem Stück Konsum verhelfen wir Bushidos „Stress ohne Grund“ in die Charts, selbst, wenn wir es gar nicht hören. Das müssen wir auch gar nicht. Der weltweite Konsum schafft eine Welle aus Scheisse, auf der manche besser reiten können als andere und Bushido ist der Kelly Slater der Konsumgesellschaft.

Stocker bekommt Grimme-Preis bei Wetten dass – Leichtathletik-Edition

ARD und ZDF zeigen die WM.

Da das ja gar nicht mehr so sicher ist, ist diese Meldung einen Artikel wert. Sollte man meinen. Leider reden wir hier von der Leichtathletik-WM. Öhm ja. Leichtatletik-WM. Immerhin: besser als die Ruder-WM – die gibts dann nächstes Jahr auf ARD und ZDF.

Weiter:

Aufregung gab es um die Rede Gangolf Stockers bei der letzten Demo bzgl. der Aktion – und jetzt wirds schon interessant. welcher Aktion? Eigentlich wollte ich schreiben: „der Bauzaun-Niederreiß-Aktion“, aber das trifft nicht den Punkt und stellt den Sachverhalt einseitig dar. Es geht um die Aktion des Sprechers der aktiven Parkschützer, Matthias von Hermann. Der hatte nämlich sein Amt dazu mißbraucht, eine Aktion, die von einem Großteil des Widerstands nicht unterstützt wird, offiziell – und somit als Sprecher der aktiven Parkschützer – gutzuheißen. Da die Öffentlichkeit verständlicherweise völlig damit überfordert ist, zwischen Parkschützern, dem Aktionsbündnis, den aktiven Parkschützern und dem Sprecher des Aktionsbündnisses zu unterscheiden, war Gangolf Stocker gezwungen, Stellung zu beziehen. Sein Rücktritt als Sprecher des Bündnisses war eine der Folgen der unüberlegten Aktion MvHs. Was bleibt GS denn auch anderes übrig? Eine inzwischen derart angewachsene Bewegung muß sich der Wirkung öffentlicher Aussagen bewußt sein, da kann nicht einfach jeder Statements abgeben. Besonders gilt das für so umstrittene Aktionen wie das Niederreißen des Bauzauns durch einen bescheuerten Mob kurz nach der Landtagswahl. MvH hätte ja in seinem Namen als Mitglied der Parkschützer sprechen können, aber er hätte wohl nicht ertragen, daß seine Stimme eine von vielen gewesen wäre. Da haut man schon mal eben ein Statement im Namen vieler Stimmen raus. Bescheuert.

Außerdem noch:

selten so durchschaubar in den April geschickt worden: die Tagesschau will uns weismachen, daß sie auf Tournee geht und dabei Castings stattfinden sollen. Der Link ist inzwischen gelöscht, von daher darf sich der Leser jetzt also fragen, ob es ein April-Scherz der Tagesschau oder ein Fake von Feyd war. So einfach macht uns google das Leben: ich stammelte die Worte „tagesschau.de“ und „casting“ und schon lieferte mir die Referenz-Suchmaschine des Internets den richtigen Link. Erschreckend? Jedenfalls bestätigt es meine Meinung, daß das Leben im Internet angenehmer sein könnte, wenn Menschen sich einfach helfen würden, anstatt dauernd RTFM zu sagen. So wie bei Auswärtigen, die nach einer Straße fragen – da kann man ja auch nicht antworten: „Herrgott, jetzt lesen Sie doch die Karte, Sie haben ja eine!“. Anstand heißt: gar nicht so viel Gedanken machen, es nicht persönlich nehmen, wenn der andere offensichtlich zu blöd / zu faul / zu irgendwas ist, um sich eine Lösung selbst zu erarbeiten. Am besten sogar nicht einmal darüber nachdenken. Sondern einfach nur: „hier entlang, dann rechts und die zweite links.“. Und der Schlawiner unter uns sagt dann noch: „und wenn Sie gut essen wollen, gehen Sie zu meinem Vetter in die Wirtschaft, da schmeckts am besten.“.
Wie soll man Google da noch hassen? Es funktioniert, das ist die Krux.

Zuletzt bekommt Gottschalk den Grimme-Preis. Der scheints ernst zu meinen, sonst hätte er der Jury im Vorfeld gesagt, daß er es doch nicht ernst meint und nach all den Bitten weitermachen will. Wobei es ja irgendwie coll wäre, wenn der jetzt auf Abschiedtournee durch die Preise der deutschen Fernseh-Gala-Landschaft gehen würde und dann doch noch weitermahcne würde. So wie die vielen alten Rockbands und -stars mit ihrer „farewell tour“.

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