Djokokovic ist kein Kimmich, das hat man genau gesehen

Man kann sich denken, was ich als Kroate von Djokovic halte, der zweifelhafte Aussagen über den Kosovo macht oder sich im richtigen Siegesmoment mit dem nationalistischen Drei-Finger-Gruß der Serben ablichten lässt. Es fällt nicht leicht, ihn nur im Licht seiner sportlichen Leistung zu beurteilen.

Dennoch muss man sich die Frage stellen, warum sich die Presse auf all das ausgerechnet jetzt stürzt. Lange muss man nicht überlegen, denn die Schlagzeile auf ZDFheute.de offenbart, worum es eigentlich geht: Djokovic darf an den Australian Open teilnehmen, obwohl er nicht geimpft ist, denn er ist im Besitz einer Bescheinigung, die ihm das erlaubt. Und das ist das eigentliche Problem.

Natürlich, es ist davon auszugehen, dass da was faul ist. Wo hat Djokovic so schnell eine Bescheinigung herbekommen? Fragen muss da erlaubt sein. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der inzwischen auf geltendes Recht á la Macron geschissen wird, erschreckt mich: wo auch immer er die Bescheinigung her hat, sie ist erst einmal gültig und es steht den Behörden frei, diese zu prüfen. Bis dahin ist sie gültig.

Zur Erinnerung: der von mir sehr geschätzte Maradona war spätestens nach der WM 1990 tief drin im Drogensumpf. Zinedine Zidanes Fehltritte (oder wahlweise Kopfstöße) wurden ihm allesamt verziehen bzw. immer gesondert betrachtet, nie im großen Zusammenhang. Jan Ullrich ist hierzulande trotz seines Doping-Skandals immer noch hoch angesehen als der, der den Radsport in Deutschland populär gemacht hat. Oliver Kahn durfte sich aufführen wie ein wildgewordener Affe auf dem Rasen, man hat es ihm verziehen, denn er war ja der „Titan“. Basler, hach, schließlich war er ja Künstler und nicht nur Fußballer. Katrin Krabbe, Ben Johnson – ebenfalls des Dopings überführt. Effenbergs Stinkefinger war da ja noch niedlich.

Am ehesten kann man noch Christoph Daums Fall mit jenem Djokovics vergleichen. Ja, er hatte ein Koksproblem, aber eigentlich ging es im Hintergrund um etwas anderes. Da ging es um eine alte Fehde zwischen ihm und dem, der ihn verraten hat: Uli Hoeneß. Wie verlogen das Ganze war, haben wir ein paar Jahre später gesehen, als herauskam, dass Hoeneß Millionen an der Börse verzockt hatte, wie im Rausch. Unschuldig ist doch da keiner und niemand verlangt, dass jetzt alle angezeigt werden oder niemand. Was ich verlange ist: es soll immer nur um die Sache gehen, um die eine Sache, und die heisst bei Djokovic: solange er eine Bescheinigung hat, dass er vom Impfen befreit ist, muss das gelten dürfen. Man kann auch der gegenteiligen Meinung sein, aber was hat in dieser Meinung dann die Aufzählung von Djokovics unangenehmen anderen Seiten zu tun? Was die Medien hier – wie im Fall Kimmich – machen, ist auf unterstem Boulevard-Niveau.

Das Traurige ist, dass ich mich inzwischen so daran gewöhnt habe, dass es mich nicht mal sonderlich stört. Erschreckend ist für mich aber, wie wenige Leute da draußen ebendies tun: sich daran stören. Auf die Titelseite eines der größten deutschen öffentlich-rechtlichen Leitmedien gehört keine Meinung. Da gehören Fakten hin. Ein Kommentar darf gerne darunter platziert werden, von mir aus gleich an zweiter Stelle. Damit sich der Leser selbst ein Urteil bilden kann auf der Grundlage von Fakten. Das ist heute.de mal wieder nicht gelungen, im Gegenteil: die Einreise nach Australien an sich könnte man ganz einfach als rechtlich korrekten Vorgang abhaken. Das reicht nicht für einen Sturm in der Kloschüssel. Wenn man dann aber alles, was man an Djokovic sonst so auszusetzen hat in einen Kommentar ganz oben in den Nachrichten platziert – dann sieht das schon anders aus. Der am Sport Uninteressierte könnte aufgrund Djokovics sportlicher Leistungen ja möglicherweise Sympathien entwickeln. Wenn er aber gleich dazu noch all seine Verfehlungen präsentiert bekommt (und ja, ich kann mit Djokovic sehr, sehr wenig anfangen), wird er ihm kaum eine Chance geben. Was hier passiert, ist Rufmord und entspringt keiner rechtsstaatlichen Haltung. Eigentlich sollte Machtkontrolle – und das sollte die Aufgabe von Medien ja sein – ja bedeuten, dass man gerade dann vom Waschen schmutziger Wäsche absieht, wenn jemand mit dem Rücken zur Wand steht. Aber das will ZDF heute ja nicht.

Und Abseits, lieber Praktikant vom ZDF, ist ein Begriff aus dem Fußball, nicht aus dem Tennis.

Omikron und das Stirnrunzeln des Gesundheitsministers

Heute Morgen die Schlagzeile bei ZDF-heute: „Lauterbach besorgt wegen unklarer Datenlage„.

Wir können am Beispiel Omikron täglich beobachten, wie sich manche Medien und viele Politiker rege an der Panikmache der Pharmaindustrie und deren Lobby in der Politik beteiligen. Auf heute.de gibt es gleich mehrere Beiträge zur neuen Corona-Variante:

Und natürlich die Schlagzeile des heutigen Tages:

Aber der Reihe nach. Heute morgen gab es folgende Dinge aus der Welt zu berichten:

  • die Außenministerin (das Gesicht Deutschlands im Ausland und nebenbei Vizekanzlerin) hält es für nötig, als eine der ersten Amtshandlungen erstmal die Wirtschaftsmacht China zu brüskieren.
  • Millionen armutsgefährdeter Menschen in Deutschland fragen sich, wie sie Özdemirs feuchten Traum von angemessenen Lebensmittelpreisen eigentlich bezahlen sollen.
  • der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kommt nicht zur Ruhe. Die USA und Russland treffen sich zu Gesprächen über Krieg und Frieden und die EU hebt den Zeigefinger und piepst: „hey, wir sind auch noch da!“.
  • in Brasilien sind 31500 Menschen durch ein Hochwasser obdachlos geworden, bisher 20 Menschen gestorben.

Aber die heute-Redaktion hält das Stirnrunzeln des Gesundheitsministers für die wichtigste Meldung des Tages. Natürlich, es geht ja schließlich um die gar schröckliche Omikron-Variante. Wie schrecklich ist sie denn? Offensichtlich noch weniger schlimm als jene Delta-Variante, die seit Monaten eh schon deutlich weniger Tote fordert als alle Varianten zuvor.

Aber offensichtlich ist es möglich, die Angst alleine schon durch die Benennung einer neuen Variante zu triggern. Ursprünglich mal hatten wir (berechtigte) Angst vor Corona, denn die Todesrate war enorm hoch. Wer kann sie vergessen, die Meldungen aus Italien von Lastwägen voller Särge seinerzeit? Mit der Zeit aber hat sich eine ganze Gesellschaft, wein gesamtes Gesundheitssystem auf dieses Virus eingestellt. Es gab Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, AHA-Regeln, ein völlig anderes Verhalten in bezug auf Hygiene (Stichwort Desinfektion) und nicht zu vergessen irgendwann auch die Impfung, deren bedingte Wirkung niemand abstreiten will. Das schlägt sich in den Todeszahlen nieder. Also sollten wir entsprechend weniger Angst vor neuen Varianten haben. Wir sind darauf eingestellt und, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen, Omikron ist ersten Untersuchungen zufolge per se weniger gefährlich als Delta, auch für Ungeimpfte.

Das scheint aber nicht mehr wichtig zu sein. „Die Weltgesundheitsorganisation hält das Risiko, das von der Omikron-Variante des Coronavirus ausgeht, weiter für sehr hoch. Die WHO warnt vor allem Ungeimpfte.„. So ist es nachzulesen in diesem Artikel auf heute.de. Damit ist aber nicht mehr eine tödliche Gefahr gemeint, sondern alleine schon die Tatsache der Ansteckung. Obwohl diese weniger zu Erkrankungen, Komplikationen oder gar zum Tod führt als Delta: „Die WHO sieht zwar ebenfalls Hinweise darauf, dass eine Infektion mit der Omikron-Variante seltener zu Krankenhausaufenthalten führt – solche Auswertungen müssten aber „mit Vorsicht“ betrachtet werden, betonte Smallwood.“. Mit Vorsicht beobachten heisst ganz sicher, dass man keine Total-Entwarnung gibt, mag sein. Vorsicht heisst aber auch, dass man nicht ins andere Extrem abdriftet, d.h. hier von einem „Risiko“ und nicht von einem „Ansteckungsrisiko“ ausgeht. Denn dass ist bei einfachen Erkrankungen der Atemwege ja auch gegeben und da spricht keiner von einem allgemeinen Risiko.

Und auf dieser Grundlage gewinnt dann die Besorgnis des inoffiziellen Vizekanzlers Lauterbach auch endlich an dem Gewicht, das ihr eigentlich fehlt. Schlimm genug, dass sich ein Teil der Gesellschaft nicht mehr um die Mortalitätsrate schert. Dass aber ein so großes öffentlich-rechtliches Medium ebenfalls nicht mehr nach dieser wichtigsten Zahl fragt, ist eine Schande. Denn gefährlich ist eine Krankheit in allererster Linie und vor allem aufgrund der Frage, ob man daran sterben kann oder nicht.

Corona-Proteste: zweierlei Maß

[Update 27.12.2021, 20:15 Uhr]

Erst das Ansehen eines Menschen beschädigen und im Nachhinein dann die Spuren verwischen – das ZDF hat den Beitrag geändert und Vermutungen als solche gekennzeichnet (Original: „…und die aus der Querdenken-Bewegung stammt…“) sowie die verleumderische und hetzerische Überschrift im Absatz (Original: „Kleinkind von Querdenkerin verletzt“) geändert:

[Update Ende]

Ursprünglicher Beitrag:

heute.de titelt im Artikel um 13:06 Uhr „Prozesse wegen Demo-Gewalt bereits heute“. Gemeint sind damit „beschleunigte Verfahren“ gegenüber 4 Teilnehmern einer Anti-Corona-Demo in Schweinfurt gestern. Dort waren – wie in etlichen anderen Städten Deutschlands – Tausende zu einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen und den vielfach diskutierten Impfzwang auf die Straße gegangen. Demonstrationen sind aufgrund des Infektionsschutzgesetzes inzwischen aber verboten. Und die Notlösung „Spaziergänge“ wird entweder durch polizeiliche Schikanen gestört oder ebenfalls verboten (vgl. Abbildung am Ende des Beitrages).

Aufsehen hatte ein Zwischenfall auf der Demo in Schweinfurt gestern erregt, bei dem die Polizei Pfefferspray so eingesetzt hatte, dass ein 4-jähriges Kind dies abbekommen hat und medizinisch versorgt werden musste. heute.de schreibt im o.g. Artikel dazu:

Ich übernehme jetzt mal die „Was wir wissen… und was nicht“-Form, mit der sich heute.de immer als besonders sachlich Berichterstattung brüstet – vermutlich um sich von der BILD-Zeitung abzuheben. Gelingt das? Schauen wir selbst:

Was wir wissen:

  • ein vierjähriges Kind und seine Mutter werden von der Polizei mit Pfefferspray attackiert.
  • das Kind muss medizinisch versorgt werden

Was wir nicht wissen:

  • ob es eine Demo war
  • ob die Frau eine bewusste Teilnehmerin des Spaziergangs war
  • ob sie die Darstellung der Polizei, sie habe eine Absperrung überwinden wollen, bestätigt
  • ob diese Frau eine Querdenkerin ist

Was heute.de stattdessen schreibt:

  • es sei eine Demo gewesen
  • die Frau sei bewusste Teilnehmerin dieser Demo gewesen
  • sie verschweigt, ob die Frau die Sicht der Polizei bestätigt hat oder nicht
  • die Frau sei eine Querdenkerin

heute.de setzt hier also irgendwelche unbestätigten Gerüchte in die Welt. Schlimm genug. Was dem Faß aber den Boden ausschlägt, ist die Formulierung im Titel: das Kleinkind sei von einer Querdenkerin verletzt worden. Damit ist also die Mutter gemeint. Die unterstellen dieser Frau nicht nur Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz und noch dazu verdrehen sie die Tatsachen völlig. Das Pfefferspray ist von der Polizei eingesetzt worden und dieser öffentlich-rechtliche Sender verdreht die Fakten so, dass man denken muss, die Mutter hätte das Pfefferspray eingesetzt. Das ist unterstes BILD-Zeitungsniveau und verletzt jeglichen Anstand und die Menschenwürde der Mutter.

Der Shitstorm im Netz ist groß: vielfach ist zu lesen, wie widerwärtig es doch sei, dass die Demonstranten Kinder als Schutzschilde missbrauchten. Seitens der Polizei ist zu lesen:

Diese Aussage stammt von Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei, aber die Aussagen anderer Polizeivertreter im Netz sind hier deckungsgleich. Abgesehen davon, dass hier eine Hexenjagd inszeniert wird und Persönlichkeitsrechte verletzt (wie bei der BILD-Zeitung eben auch), werde ich stutzig: was heisst das, man nehme in Kauf, in eine gewalttätige Auseinandersetzung zu geraten? In einem Rechtsstaat sollte man als friedlicher Demonstrant doch keine Angst davor haben, von der Polizei angegriffen zu werden, oder? Ich verstehe das jetzt mal als eine kaum noch unterschwellige Drohung: „wagt es nicht, gegen die Maßnahmen zu demonstrieren, sonst gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen“.

Im Übrigen möchte ich noch daran erinnern, dass gerade Identitäts-Linke sich schwer zurückhalten müssten mit dem Unterstützen dieses Spieß-Umdrehens. Damals, beim Schwarzen Donnerstag im Rahmen der Proteste gegen S21, hatten wir exakt dieselbe Situation. Menschen aller Coleur und jeden Alters gingen damals gegen den bevorstehenden Kahlschlag im Schloßpark demonstrieren, auch Kinder. Der Aufschrei war groß, als beim völlig unverhältnismäßigen Einsatz der Polizei hunderte Verletzte zu beklagen waren, auch Kinder. Die konservative bis rechte Seite der Gesellschaft benutzte damals genau denselben Jargon als Vorwurf an die Protestler: wie könne man seine Kinder nur auf eine Demo mitnehmen, wo doch klar sei, dass es zu Gewalt kommen würde?

Und nun haben Pseudo-Linke auch diesen Schritt zur Systemtreue vollzogen: sie stimmen ein in den einst rechten Tenor, die Frau sei selber schuld gewesen bzw. sei eine Rabenmutter usw. Dabei haben ebendiese Linken genau dasselbe Verhalten vor nunmehr 11 Jahren als Erziehung zu gelebter Demokratie verteidigt. Dieses Messen mit zweierlei Maß sagt mir: das sind keine Linken und sie waren es noch nie. Sie wollten einfach nur im Recht sein und Gewalt und Macht ausüben. Da sie das bei Corona nicht können, assimilieren sie sich eben an das System. Zur Erinnerung hier noch ein Foto, das damals durch die Medien gegangen ist:

Nur eines hat sich nicht geändert: der Totalausfall der Medien. Die haben die S21-Protestbewegung damals auch kleingeredet, Teilnehmerzahlen bei Demos großzügig gekürzt und den Fokus der Berichterstattung auf gewaltbereite Ausnahmefälle gelegt. Sie sind allem nachgekommen, nur einem nicht: ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Und somit sind sie auf eine perverse Art sogar noch zuverlässig.

Nachrichten werden nicht „gemacht“? Hold my beer…

Seit Ende November sinkt das Infektionsgeschehen ständig. So auch heute:

13 908 Neuinfektionen (Vorwoche: 29 348)

69 Todesfälle (Vorwoche: 180)

Hospitalisierungsinzidenz: 3,26

R-Wert: 0,77

(Quelle: RKI)

Gute Nachrichten, sollte man meinen. Sowas verkauft sich aber nicht. Medien brauchen vor allem schlechte Nachrichten. Was macht also das öffentlich-rechtliche Nachrichtenmagazin „heute.de“? Ah, ja: es gibt genau einen Wert, der dem positiven Trend gegenläufig ist, und das ist die Inzidenz. Dieser ist von 220,7 (gestern) heute auf 222.7 geklettert. Und genau das wird die Überschrift.

Wow. Das ist ja fast ein (1) Prozent!!! Um genau zu sein beträgt der Wert 0,906!!! Zum Vergleich: Neuinfektionen haben sich um mehr als die Hälfte verringert, ebenso die Todeszahl. Aber was kümmert das ZDF denn Verhältnismäßigkeit bei der Berichterstattung? Wäre dem so, gäbe es eine positive Nachricht mehr neben der Tatsache, dass das Infektionsgeschen wieder abflaut und Omikron offensichtlich nicht der große Horror ist, zu dem es in diesen Medien seit Wochen gemacht worden ist.

Also: Gesamtbild ignorieren, Fokus auf ein Mosaikstückchen legen, das den Duktus des Mediums transportiert und raus damit als Schlagzeile: Sieben-Tage-Inzidenz steigt wieder.

Damit der oberflächliche Nachrichtenkonsument die Schlagzeile bekommt, die er braucht.

Keine Angst vor Autos

Hamburger SV - SV Werder BremenDas nennt man im Arbeitsjargon dann wohl … Durchsetzungsvermögen (vgl. Interview mit Daniel Illmer).

Dass der Profisport immer weiter kommerzialisiert wird, liegt in seiner Natur. Aber muss das auch beim Freizeitsport sein?

Jedes mal, wenn ich bei einem Spaziergang im Park in den Kondensstreifen eines 15 cm an mir vorbeirasenden Freizeit-Ullrichs eingesogen werde, frage ich mich das. Ich frage mich, was wohl passieren würde, wenn ich einem Käfer / Glassplitter / Kackhaufen ausweichen müsste, so ganz plötzlich. Soll bei Spaziergängen ja durchaus vorkommen. Wenn ich also einem dieser Kamikaze-Fahrer in die Bahn springen würde. Meine Freunde auf zwei Rädern haben inzwischen locker die Fahrt eines Stadtautos auf dem Tacho, welcher natürlich alle Daten live auf runtastic hochlädt. Ein Zusammenprall bei dieser Geschwindigkeit ist in der Lage, so ziemlich jeden Knochen zu brechen, den ein Mensch zu bieten hat. Inzwischen habe ich bei meinen Kindern weniger Angst vor den Autos, denn die sind auf der Straße. Die Sport-Radfahrer hingegen sind direkt neben mir, auf dem Gehweg, ohne trennenden Bordstein.

Nun ja, dieser persönliche Ärger ist das eine. Das Andere ist der Zusammenhang, in dem die Rationalisierung des Freizeitsports steht. Nein, ich habe nichts gegen Sport, ich habe nichts gegen Leistung, ich habe nichts gegen den Willen zum Sieg. Jahrelang habe ich Fußball gespielt und alles gegeben, und wenn jemand faul rumgestanden ist, habe ich die Klappe aufgerissen. Aber Motor war immer letztlich der Spass an der Sache im Wissen darum, dass es ein Spiel ist. Man sollte sich nach dem Spiel noch die Hand geben können. Einer, der Blutgrätschen verteilt, bekommt von mir nicht die Hand. Es gibt Grenzen. Und komme mir jetzt keiner mit Mädchen-Fussball. Meiner Erfahrung nach hat sich der Spass an der Sache immer ausgezahlt. Wer glaubt, faires Spiel sei unproduktiv, lebt im Mittelalter. Die wahren Loser waren eigentlich immer jene, die gefoult haben und viel über Leistung geredet, aber umso weniger Leistung gebracht. Nur ist sie nicht auszurotten, die vor allem verbale Leistungskultur im Sport, und sie scheint immer mehr Zuwachs zu bekommen: die Labersäcke auf dem Feld tragen kein Kondom, so sehr vermehren sie sich.

Und nun lese ich in einem Interview auf heute.de, welch beredte Sprache die sportliche Betätigung doch über unseren wahren Charakter spricht. Ein Sportwissenschaftler schmeisst sein anstudiertes Wissen den Imperativen des Arbeitsmarktes vor die Füße und interpretiert Kompetenzen des Organisierens, des Haushaltens, der Kommunikation, ja sogar Führungsqualitäten in die freizeitliche Sport-Betätigung hinein.

Das mag ja sogar stimmen, aber ist es nicht schade, dass Sport ausschliesslich deshalb gut sein soll, weil er dem Zweck der Produktivität dient? Darf man Sport auch aus Spass an der Freud´ machen? Und ist man dann automatisch ein schlechter Sportler? Sorry, aber ich glaube, Sport-Genies wie Maradona oder Pelé waren letztlich so gut, weil sie immer auch Spass an der Sache hatten. Das kapiert aber so ein minderbemittelter mittelmäßiger BWL-Sportler nicht. Für den ist Sport gut, wenn er ihn zählen kann. Und wenn es eine Qual ist, ihn auszuüben. Also vor allem muss er langweilig sein, denn nur dann ist er gut, ganz so wie Arbeit. Kunst ist brotlos, klar.

Wenn das nun jemand für kleinlich hält, erinnere ich daran, dass aus diesem positiven Nebeneffekt schnell eine Bedingung werden kann. So etwa:“Oh, du spielst Fussball / fährst Rad / springst Seil? und? Wieviel Kalorien am Tag?“.

heute.de macht Werbung für die Games-Industrie im Namen der Justiz

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heute.de: mit Cyber-Brillen Verbrechen aufklären

Meine Güte, das ist nur mehr peinlich. Die Computerspiele-Industrie macht sowieso schon einen Hype um diese Brille, die letztendlich nichts anderes tut, als die seit Jahrzehnten bekannte 3D-Technik a) per Brille ganz nahe an den Kopf zu bringen und b) diese Brille als Blickwinkel-Steuerung zu nutzen. Also Dein Kopf als Joystick mit Bildschirm sozusagen.

Wenn dann die Gamer-Kids aus dem Häuschen sind, ist das nichts Besonderes. Es gibt so eine Zeitspanne im Leben, die junge Burschen nach dem ersten Samenerguß zunächst befriedigt, aber mit offenen Fragen hinterlässt: ich kann Sex machen, aber wie mache ich den jetzt mit einer Frau? Da die Antwort auf diese Frage nicht so leicht gefunden werden kann, entsteht natürlich eine Menge Frust, und der wird in besonders harten Fällen ausschliesslich mit Computerspielen kompensiert. Da eröffnet so eine Virtual-Reality-Brille natürlich ganz neue Möglichkeiten.

Nichts Weltbewegendes also: da wird nun zum tausendsten Mal versucht, die nächste Killer-Hardware an den Mann zu bringen. Kennen wir alles schon. Gähn.

Doch wenn dann die heute-Sendung auf diesen Hype aufspringt, frage ich mich, warum dieses Nachrichtenformat staatlich gefördert wird. Es ist ja schon offensichtlich peinlich, wenn die Uni Zürich versucht, der Gamer-Hardware einen seriösen Anstrich zu verpassen. Dass sich aber ein staatlich gefördertes Medium zum verlängerten Arm der Industrie macht und die hanebüchen formulierte Werbung 1:1 übernimmt, geht einfach mal gar nicht.

Keine Fragen dazu, wer die Uni Zürich in dieser Sache finanziert. Keine Fragen zur Praktikabilität. Keine Fragen zu technischer Manipulierbarkeit. Aber was das Wichtigste ist: keine Frage nach dem großen Vorteil. Welchen Unterschied macht es denn nun, ob ich diese Brille aufhabe oder ob ich auf einen Bildschirm schaue? Das ist doch völlig wurscht. Diese Brille mag in Spielen einen Kick bringen, weil sie das Geschehen näher bringt und eine gewisse Intuitivität in die Steuerung bringt. Aber ein Richter hat ja kein Spielziel in einem Verfahren, auch braucht er keinen Kick, im Gegenteil: er soll so sachlich wie irgend möglich die Faktenlage beurteilen.

Doch nichts davon bei heute.de. Schlimm, sowas.

Brigitte Dings wird 80

Brigitte Bardot wird 80. Wer? Die da:

brigitte

Klar. Das beeindruckt auch noch 60 Jahre danach. Nein, ich werde jetzt kein Vergleichsbild zu heute posten, denn logischerweise sieht sie heute alt und runzlig aus. Und nein, das ist es nicht, was mich stört. Ich störe mich auch nicht wirklich an ihrer Ausrichtung an der politisch extremen Rechten. Das ist zwar verwerflich, aber ich kann mich ja nicht über jeden kleinen Vorstadt-Nazi kümmern.

Was mich wirklich stört, ist der Artikel auf heute.de anlässlich ihres Geburtstages.

Beispiel:

bardotheute2Aha. Nicht BB liegt falsch, sondern BB sagt, was sie denkt und damit eckt man eben an. Dem einen gefällts, dem anderen nicht. Da erscheint die Überschrift zum Artikel auch in einem ganz anderen Licht:

bardotheute

Wir erinnern uns an Thilo Sarrazin. Oder Udo Ulfkotte. Oder auch, eine Nummer kleiner und (scheinbar) unpolitischer: Bernhard Bueb. Oder Michael Winterhoff usw. usw. Sie alle haben sich mit ihren „Streitschriften“ zu Wort gemeldet, um konservatives und rechtspopulistisches Gedankengut als Lösung für Probleme anzubieten. Und immer, wenn man sie oder ihre Anhänger mit dem Sturm der Entrüstung konfrontiert hat, den ihre Aussagen ausgelöst hatten, kam als Antwort: sie seien nun mal nicht gekommen, um schön daherzureden, wichtige / wahre Dinge würden halt nunmal polarisieren, manches müsse provokant formuliert werden, um Veränderung auszulösen usw. Das würde einer bestimmten linken Bürgerschaft zwar nicht gefallen, dennoch müsse es mal gesagt werden.

In dieses Horn stößt der Artikel auf heute.de: BB provoziert und eckt an, denn sie sagt, was sie denkt.

Immerhin: ein mal (1x) im Artikel nennt Sabine Glaubitz die Äußerungen BBs gegenüber Homosexuellen, Linken, Obdachlosen und illegalen Einwanderern „hetzerisch“.

Das ist mir aber zu wenig. Für mich sieht es eher so aus, als sei dies der Versuch von heute.de, auch mal so etwas ähnliches wie das Busenwunder von Seite 3 in der Bild-Zeitung abzubilden, ohne sich zu ihren politischen Äusserungen positionieren. Wie praktisch, dass BB das durch ihre „politische Arbeit“ möglich macht, denn eigentlich ist heute.de ja etwas völlig anderes als die Bild.

Die Todesstrafe ist abgeschafft. Das GroKo-Spiel.

Propaganda, das gibt es nicht bei uns. Das ist die abfällige Bezeichnung für Nachrichten, die staatstragende Funktionen übernehmen. Das heisst: solche Nachrichten sind zumeist beschönigend und nicht zutreffend. Sie sollen verhindern, dass das Volk auf die Idee kommt, etwas gegen das System zu tun, sie sollen manipulieren, verschleiern, an der Nase herumführen.

Propaganda, das gab es bei den Nazis, in der DDR, im südafrikanischen Apardheids-System. Zu anderen Zeiten, an anderen Orten, aber nicht hier, nicht jetzt, nicht in der Bundesrepublik Deutschland.

Oder doch?

Heute lese ich die Schlagzeile bei heute.de und ärgere mich. Dort werden, wie jeden Freitag, die Ergebnisse des ZDF-Politbarometers bekanntgegeben, Thema mal wieder: die Grosse Koalition. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Schlagzeile zu verändern und bitte den Leser darum, beide Screenshots zu betrachten und dann zu entscheiden, welcher der beiden Screens die Unwahrheit sagt.

Screen 1:

heutepropagandafinal01

Screen 2:

heutepropagandaoriginal

Auflösung

man merkt es schnell an meinen bescheidenen Bildbearbeitungs-Fähigkeiten: der erste Screenshot ist mein Fake. Jedoch: nichts daran ist inhaltlich unwahr. Ich habe sogar die Formulierungen des Politbarometers benutzt. Keiner der beiden Screenshots sagt die Unwahrheit.

Und doch wirken beide Nachrichten völlig anders auf uns.

Grund: sie sollen es auch. Im Original soll, wie seit Wochen, eine Normativität hergestellt werden, die bewirkt, dass die SPD-Basis die GroKo absegnet. Das war bereits bei dieser, dieser und dieser Meldung so. Und das ist heute nicht anders. Da man bei uns aber nicht so leicht lügen kann wie in Unrechtsstaaten, stellt man die Wahrheit eben selektiv dar. Ja, es stimmt: 82 % der Befragten erwarten, dass die GroKo kommt. Also landet das in der Schlagzeile. Dass aber 51 % eine GroKo nicht  „gut“ fänden, das erfährt man dann erst irgendwo mitten im Artikel, den sowieso nur ein Bruchteil der heute.de-Konsumenten liest.

Also: man kann diese BRD nicht mit Nazi-Deutschland, der DDR oder dem Südafrika der Buren vergleichen, beileibe nicht. Aber die Normativität der Presse ist genauso vorhanden wie die soziale Kontrolle der Bürger durch das System, nur dass es sanftere Methoden hat als jene der o.g. Unrechtsstaaten. Immerhin, die Todesstrafe ist abgeschafft.

The winner takes it all – Fehlinterpretation der 100 wichtigsten Zahlen der Welt

heute.de schreibt: die Mehrheit der Deutschen will eine grosse Koalition.  Gott, muss ich ein Nischenmensch sein, denn ich kenne nur Menschen, die das nicht wollen. Zeichnet mich das aus?

Hmm, mal genauer hinschauen:

oha, die Mehrheit, das sind für heute.de 58 %. Klar, rein rechnerisch ist das eindeutig die Mehrheit, aber 58 % zufriedene Gewinner dürften ja eigentlich 42 % unzufriedene Verlieren sein.  Die grosse Koalition ist also 33,6 Mio Deutschen ein Dorn im Auge, und die Meinungsmacher in den Medien streuen noch etwas Salz darauf.

Ist das Propaganda oder bin ich einfach nur ein schlechter Verlierer?

Also wenn ich eine Umfrage bei zehn Hortkindern zu der Frage mache, wohin sie beim Ausflug denn gerne hin wollen und 6 von 10 wollen Fussball spielen, dann kann das sein, dass ich das durchaus nicht mache.

Wie? Warum lasse ich die dann überhaupt abstimmen? Ist das Schein-Partizipation?

Nee, es ist recht einfach. Wenn 4 Mädchen in der Gruppe sind, die einfach keinen Bock auf Fussball haben, dann müssen wir ein anderes Ausflugsziel finden. Die Mehrheit bekommt die Macht über das ganze Volk, nicht nur über die 58 % der Mehrheit, und mit der Minderheit muss sie verantwortungsvoll umspringen.

Also schaue ich mal genauer auf den Artikel und da lese ich: 25 % der Befragten fänden eine grosse Koalition schlecht, und 14 % wäre das egal.

Diese 14 % werden dann irgendwie zu den 58 % dazugerechnet, und daraus macht heute.de dann Folgendes:

heute01Gelb hervorgehoben: 58 % befürworten und erwarten die grosse Koalition und 14 % ist eine grosse Koalition egal und sie erwarten eine solche – ja und? Ich erwarte ziemlich schlechtes Wetter im November – aber finde ich das gut?

Warum machen die so etwas?

Ist das Propaganda oder leide ich an Fletchers Visionen?

Nun, es gibt ja etliche wissenschaftliche Publikationen zur Normativität von Nachrichten und speziell da von repräsentativen Umfragen.

Doch die muss man nicht bemühen; der Beweis kommt auf der selben Seite selbst:

heute03

1 Woche nach der Bundestagswahl – die ja nicht repräsentativ, sondern tatsächlich durchgeführt worden ist (munkelt man) – erhält die CDU nun 43 % der Stimmen. Wo kommen denn innerhalb einer Woche 1,5 % Wähler her? Da hat der Jubelgesang der CDU wohl einige Unentschlossene dazu gebracht, sich auf die Seite des Siegers zu schlagen. Süffisantes aus dem Artikel von CDU-Fraktionschef Kauder: „Der Generalsekretär hat gesagt, dass Wahlsieger das Lied singen dürfen.“. Und pinkeln gehen durften die auch.

Gleiches gilt für die FDP: die hat hier nur 3 %. Haben die innerhalb einer Woche 2 % verloren? Soo viele FDPler könnens dann auch nicht sein, die zur AfD wechseln wollen / müssen…

Nun denn, Zahlen werden gefaked – siehe Grubes Versprechen vor der Volksabstimmung, S21 werde nicht teurer als 4,5 Mrd €.

Zahlen werden geschönt – von den versprochenen 780 000 Kita-Plätzen sind (höchstens) 680 000 geschaffen worden und dabei sind solche mit eingerechnet, für die lediglich eine Betriebsgenehmigung erteilt worden ist, die aber noch nicht in Betrieb sind (z.T., weil sie erst noch gebaut werden müssen).

In jedem Fall sind Zahlen aber entscheidend – vor allem in einer Gesellschaft, die sich zur Entscheidungsfindung der Massenmedien bedient, weil diese vor allem eines sind: schnell.

Und genau das ist das Problem: schnell ist meistens gleichbedeutend mit oberflächlich.

 

Also bleibt mir zum Schluss nur noch eine Aussage:

 

Zahlen sind vor allem – nur Zahlen.

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