facebook – Safer Onanie

Unter Politik verstehe ich Gestaltung oder Veränderung.

Gestaltung:
Wenn man Gestaltung nur mit Gleichgesinnten ausübt, braucht man eine Mehrheit und dann ist diese „Gestaltung“ Ausdruck der Machtverhältnisse.

Ist man in der Minderheit, ist die Möglichkeit zur Gestaltung erstmal nicht gegeben. Oder nur insofern, als es die demokratischen Verhältnisse vor Ort gestatten. Dazu gehört der Minderheitenschutz oder die freie Meinungsäußerung, und solange ich Aufrufe zum Umsturz des Systems auf facebook, teilweise unter Realnamen lese (ohne daß diese Menschen kurze Zeit später verschwinden), werte ich das als einen Beweis für das Vorhandensein des Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Veränderung:

Was sie angeht, gibt es jene der Minderheit durch die Mehrheit und das ist wiederum Machtausübung. Wenn also Macht solange ausgeübt wird, bis Einstellungen, Deutungen und Wertungen von der Minderheit übernommen werden.
Wie steht es aber mit der Minderheit? Welche Handhabe zur Veränderung hat sie?
Sie kann, wenn sie ungehindert ihre Meinung äußern kann, kraft guter Argumente zu einer Mehrheit werden – so der Plan. Dazu muß sie aber mit Andersdenkenden in den Meinungsaustausch gehen. Und nun die Frage:
wie wieviele Andersdenkende hat man für gewöhnlich unter seinen Freunden bei Facebook? Wen erreicht man, wenn man seine Meinung zu einer Sache postet? Doch wohl zunächst einmal die Freunde, oder?
Und wo findet da dann der Austausch statt?
Bin ich in der Mehrheit, dann ist mein politisches Handeln Gestaltung als Ausübung von Macht. Das poste ich aber nicht auf Facebook, es sei denn, ich betreibe Propaganda.
Bin ich in der Minderheit, kann ich posten, was ich will, solange es nur Gleichgesinnte lesen – dadurch verändere ich nichts. Das ist keine politische Arbeit, sondern so ähnlich wie die Rede eines Parteivorstandes vor seiner Parteibasis und die Likes sind der Applaus.
Im besten und allerseltensten Fall habe ich unter meinen Freunden bei Facebook Andersdenkende und hier besteht zumindest die Möglichkeit eines Austausches gegnerischer Positionen. Allerdings ist selbst hier noch lange nicht gesichert, daß dieser Austausch in Politik als Gestaltung mündet. Es kann nämlich sein, daß die Mehrheit die guten Argumente der Minderheit anhört und – nichts weiter tut.

Aber zumindest wäre der Austausch unter Andersdenkenden jenes Minimum, das als Basis für jene angebliche politische Arbeit auf facebook oder in Blogs (ja, auch in diesem) notwendig wäre. Tut das jemand? Gibt es das auf Facebook? Nein, denn einer der Vorzüge von FB ist der, daß man sich zurückziehen kann. Man muss sich nicht auseinandersetzen, wenn einem etwas nicht gefällt. Man kann sich entziehen. Und das tun wir alle, wenn es möglich ist. Ich auch.
Im persönlichen Kontakt kann man das allerdings wenig und deshalb finde ich auch so viele Revolutionäre auf Facebook: hier kann jeder endlich ausleben, was er schon immer wollte. Ein besserer Mensch sein. Seine eigene Dekadenz verdecken durch gerechte Worte, über deren nachfolgende Taten man niemandem Rechenschaft schuldig ist.

So ein Scheiß.

Facebook soll das tun, was es am besten kann: die Plattform bieten für Ausrufe unseres westlich-dekadenten Lifestyles (ja, auch des meinen), auf der man möglichst unkompliziert über seinen Furz von gerade eben schreibt, damit andere ihr Like dazusetzen können.

Eine Plattform – oder gar eine besonders geeignete – für politische Arbeit ist es mitnichten.

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