Die Todesstrafe ist abgeschafft. Das GroKo-Spiel.

Propaganda, das gibt es nicht bei uns. Das ist die abfällige Bezeichnung für Nachrichten, die staatstragende Funktionen übernehmen. Das heisst: solche Nachrichten sind zumeist beschönigend und nicht zutreffend. Sie sollen verhindern, dass das Volk auf die Idee kommt, etwas gegen das System zu tun, sie sollen manipulieren, verschleiern, an der Nase herumführen.

Propaganda, das gab es bei den Nazis, in der DDR, im südafrikanischen Apardheids-System. Zu anderen Zeiten, an anderen Orten, aber nicht hier, nicht jetzt, nicht in der Bundesrepublik Deutschland.

Oder doch?

Heute lese ich die Schlagzeile bei heute.de und ärgere mich. Dort werden, wie jeden Freitag, die Ergebnisse des ZDF-Politbarometers bekanntgegeben, Thema mal wieder: die Grosse Koalition. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Schlagzeile zu verändern und bitte den Leser darum, beide Screenshots zu betrachten und dann zu entscheiden, welcher der beiden Screens die Unwahrheit sagt.

Screen 1:

heutepropagandafinal01

Screen 2:

heutepropagandaoriginal

Auflösung

man merkt es schnell an meinen bescheidenen Bildbearbeitungs-Fähigkeiten: der erste Screenshot ist mein Fake. Jedoch: nichts daran ist inhaltlich unwahr. Ich habe sogar die Formulierungen des Politbarometers benutzt. Keiner der beiden Screenshots sagt die Unwahrheit.

Und doch wirken beide Nachrichten völlig anders auf uns.

Grund: sie sollen es auch. Im Original soll, wie seit Wochen, eine Normativität hergestellt werden, die bewirkt, dass die SPD-Basis die GroKo absegnet. Das war bereits bei dieser, dieser und dieser Meldung so. Und das ist heute nicht anders. Da man bei uns aber nicht so leicht lügen kann wie in Unrechtsstaaten, stellt man die Wahrheit eben selektiv dar. Ja, es stimmt: 82 % der Befragten erwarten, dass die GroKo kommt. Also landet das in der Schlagzeile. Dass aber 51 % eine GroKo nicht  „gut“ fänden, das erfährt man dann erst irgendwo mitten im Artikel, den sowieso nur ein Bruchteil der heute.de-Konsumenten liest.

Also: man kann diese BRD nicht mit Nazi-Deutschland, der DDR oder dem Südafrika der Buren vergleichen, beileibe nicht. Aber die Normativität der Presse ist genauso vorhanden wie die soziale Kontrolle der Bürger durch das System, nur dass es sanftere Methoden hat als jene der o.g. Unrechtsstaaten. Immerhin, die Todesstrafe ist abgeschafft.

The winner takes it all – Fehlinterpretation der 100 wichtigsten Zahlen der Welt

heute.de schreibt: die Mehrheit der Deutschen will eine grosse Koalition.  Gott, muss ich ein Nischenmensch sein, denn ich kenne nur Menschen, die das nicht wollen. Zeichnet mich das aus?

Hmm, mal genauer hinschauen:

oha, die Mehrheit, das sind für heute.de 58 %. Klar, rein rechnerisch ist das eindeutig die Mehrheit, aber 58 % zufriedene Gewinner dürften ja eigentlich 42 % unzufriedene Verlieren sein.  Die grosse Koalition ist also 33,6 Mio Deutschen ein Dorn im Auge, und die Meinungsmacher in den Medien streuen noch etwas Salz darauf.

Ist das Propaganda oder bin ich einfach nur ein schlechter Verlierer?

Also wenn ich eine Umfrage bei zehn Hortkindern zu der Frage mache, wohin sie beim Ausflug denn gerne hin wollen und 6 von 10 wollen Fussball spielen, dann kann das sein, dass ich das durchaus nicht mache.

Wie? Warum lasse ich die dann überhaupt abstimmen? Ist das Schein-Partizipation?

Nee, es ist recht einfach. Wenn 4 Mädchen in der Gruppe sind, die einfach keinen Bock auf Fussball haben, dann müssen wir ein anderes Ausflugsziel finden. Die Mehrheit bekommt die Macht über das ganze Volk, nicht nur über die 58 % der Mehrheit, und mit der Minderheit muss sie verantwortungsvoll umspringen.

Also schaue ich mal genauer auf den Artikel und da lese ich: 25 % der Befragten fänden eine grosse Koalition schlecht, und 14 % wäre das egal.

Diese 14 % werden dann irgendwie zu den 58 % dazugerechnet, und daraus macht heute.de dann Folgendes:

heute01Gelb hervorgehoben: 58 % befürworten und erwarten die grosse Koalition und 14 % ist eine grosse Koalition egal und sie erwarten eine solche – ja und? Ich erwarte ziemlich schlechtes Wetter im November – aber finde ich das gut?

Warum machen die so etwas?

Ist das Propaganda oder leide ich an Fletchers Visionen?

Nun, es gibt ja etliche wissenschaftliche Publikationen zur Normativität von Nachrichten und speziell da von repräsentativen Umfragen.

Doch die muss man nicht bemühen; der Beweis kommt auf der selben Seite selbst:

heute03

1 Woche nach der Bundestagswahl – die ja nicht repräsentativ, sondern tatsächlich durchgeführt worden ist (munkelt man) – erhält die CDU nun 43 % der Stimmen. Wo kommen denn innerhalb einer Woche 1,5 % Wähler her? Da hat der Jubelgesang der CDU wohl einige Unentschlossene dazu gebracht, sich auf die Seite des Siegers zu schlagen. Süffisantes aus dem Artikel von CDU-Fraktionschef Kauder: „Der Generalsekretär hat gesagt, dass Wahlsieger das Lied singen dürfen.“. Und pinkeln gehen durften die auch.

Gleiches gilt für die FDP: die hat hier nur 3 %. Haben die innerhalb einer Woche 2 % verloren? Soo viele FDPler könnens dann auch nicht sein, die zur AfD wechseln wollen / müssen…

Nun denn, Zahlen werden gefaked – siehe Grubes Versprechen vor der Volksabstimmung, S21 werde nicht teurer als 4,5 Mrd €.

Zahlen werden geschönt – von den versprochenen 780 000 Kita-Plätzen sind (höchstens) 680 000 geschaffen worden und dabei sind solche mit eingerechnet, für die lediglich eine Betriebsgenehmigung erteilt worden ist, die aber noch nicht in Betrieb sind (z.T., weil sie erst noch gebaut werden müssen).

In jedem Fall sind Zahlen aber entscheidend – vor allem in einer Gesellschaft, die sich zur Entscheidungsfindung der Massenmedien bedient, weil diese vor allem eines sind: schnell.

Und genau das ist das Problem: schnell ist meistens gleichbedeutend mit oberflächlich.

 

Also bleibt mir zum Schluss nur noch eine Aussage:

 

Zahlen sind vor allem – nur Zahlen.

SWR ahnungslos: ähhh…Pflastersteine oder so?

Heute berichtet der SWR darüber, daß 600 Demonstranten aus Stuttgart im restlos ausverkauften Sonderzug in Berlin angekommen sind, um dort u.a. vor der Zentrale der Deutschen Bahn gegen S21 zu demonstrieren.

Natürlich wird versucht, die Demonstranten wieder einmal in die linke Ecke zu stellen. Unheimlich erwähnenswert scheint dem SWR der Umstand, daß sie von den Vorsitzenden der Linkspartei, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, begrüßt worden seien. Mich wundert inzwischen nicht mehr, daß seitens der Befürworter als Argument für S21 die Frage „ja, wollt Ihr denn den Kommunismus?“ angeführt wird. Dahinter stehende Logik: entweder CDU oder Kommunismus, wer nicht für uns ist, ist gegen uns… kennen wir bereits. Also ich habe nix mit den Linken – bin ich jetzt wie alle meine Bekannten zu Unrecht in der Bewegung? Bin ich CDU-Wähler? Da hätte ich aber was verpaßt…

Gegen Ende des Artikels gibts dann aber doch etwas wirklich Ärgerliches:


(Screenshot 26.10.2010, 12:20 Uhr – vielleicht wirds ja noch geändert…)

Nun, auch Anstalt des öffentlichen Rechts kann mal eine Panne passieren… Innenminister Rech ließ noch am selben Abend, also am 30.09. seine Aussage, es seien Pflastersteine geworfen worden, dementieren. Das ist meiner Rechnung nach inzwischen rund 26 Tage her. Scheint aber nicht auszureichen für den SWR.

Also nix „nach Angaben der Demonstranten“ – „Offiziell bestätigt vom Innenminister himself“, bitteschön.

Worauf ich jetzt noch warte, ist, daß der SWR dies damit begründet, daß es Schwarzseher gibt.

Heute schon REZitiert?

UPDATE:

wie daMax berichtet, hat die Falschinformation bereits ihren Schaden angerichtet: bspw. die NZZ hat den Text wortwörtlich vom SWR übernommen.
Da wir wissen, wie gewaltig die normative Wirkung solcher Artikel in Massenmedien ist, ist Empörung angebracht.
Denn offensichtlich dürfen Medien wie der SWR derartige Falschinformationen in die Welt setzen, wenn sie sie eine Zeit später ändern / korrigieren. Die Korrektur wird im Gegensatz zur Falschinformation von den copy&paste-Jounalisten (Danke für den Begriff, daMax!) aber nicht mehr übernommen.

Was bleibt, ist die Falschinformation und da das beim SWR, der StZ und den StN immer wieder passiert und denen somit bewußt ist, spreche ich nicht mehr von Falschinformation oder Ahnungslosigkeit, sondern von Lüge.

Ich schlage dem super-etablierten, spitzen-seriösen SWR vor, Nachhilfe bei der BILD-Zeitung zu nehmen. Die war in der Lage, bei Google die Worte „Polizeieinsatz Rech dementiert Pflasterteine“ einzugeben und sich zu informieren.

UPDATE:
Weiter gehts mit der Manipulation:
Der Stern stellt fest, die Demonstranten kämen aus „der linken Mitte“.

Im Artikel werden die Ergebnisse der Studie zunächst „den Demonstranten“, dann „den Protestierenden“ und zuletzt „den Stuttgart 21-Gegnern“ zugeordnet:


Das ist wissenschaftlich bzw. journalistisch unkorrekt! Wenn die Befragung auf einer Demo stattgefunden hat, frag ich mich, wieso nicht darauf hingewiesen wird, daß die Menge der Demonstranten und die Menge der Stuttgart 21-Gegner zwar Schnittpunkte haben, aber nicht gleichzusetzen sind (intensional gleich, extensional verschieden – ich glaube, das ist Logik…)!

Was denkt Otto-Normal-Leser? Wer gegen S21 ist, gehört zur linken Mitte. Das wirkt natürlich abschreckend.

Manipulation.

Auf die Aktie Mitleid für afghanische Frauen setzen

Ein bißchen was zur Frage, was die Diskussion um Kopftuch und Burka so alles für Hintergründe haben könnte auf

tagesschau.de

Natürlich gibt es Philosophen (Michael Walzer), die von „gerechten Kriegen“ unter ganz bestimmten Kriterien sprechen. Allerdings ist es sicher nicht in ihrem Sinne, wenn die öffentliche Meinung manipuliert wird.

Die Frage, ob die Unterdrückung (nicht nur) der Frauen durch die Taliban in Afghanistan ein Grund ist, dort zu intervenieren, ist sicher erlaubt. Allerdings verlieren Befürworter der Intervention ihre Glaubwürdigkeit, wenn – wie hier – rauskommt, daß gezielt die öffentliche Meinung beeinflußt werden soll. Wir sitzen hier im Trockenen und bilden uns ein, mit dem Krieg in Afghanistan etwas für den Feminismus zu tun, während hierzulande Frauen nach wie vor weniger Geld mit derselben Arbeit verdienen. Nicht, daß mit die Taliban geheuer wären. Aber wieso muß ein „ja“ zu diesem Krieg mit Dämonisierung eingeholt werden?

Der alltägliche Journalismus sollte doch eigentlich ausreichen, oder?

Egal, wie man zu „gerechten Kriegen“ steht, ihr Hauptmerkmal ist doch das der Kontrolle. Jede ungerechtfertigte Aktion muß vermieden werden (bis hin zum Krieg selbst). Oder: jede Aktion muß gerechtfertigt sein. Das allerdings heißt aber auch, daß Argumente offen / öffentlich diskutiert werden müssen. Von Offenheit kann in diesem Fall aber nicht die Rede sein. Da wird irgendwie irgendwas heimlich beschlossen und durchgeführt, um die – offesichtlich für die Wahrheit zu dumme – Öffentlichkeit dazu zu bringen, etwas zu tun, was sie andernfalls wohl nicht täte.

Das ist weder gerecht, noch rechtens. Das ist Käse. Kein Cent wird in die Aktie Afghanistan investiert, und erst recht nicht, weil die CIA den Feminismus als hohen Kurs erkannt hat. Wie sagte William von Baskerville in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“:

„Mißtraue den Erneuerungen der menschlichen Gattung, wenn die Kurie und die Fürstenhöfe davon zu reden beginnen!“

PS: daMax gab mir diesen lesenswerten Link:
Mely Kiyak zum Krieg in Afghanistan

%d Bloggern gefällt das: