Djokokovic ist kein Kimmich, das hat man genau gesehen

Man kann sich denken, was ich als Kroate von Djokovic halte, der zweifelhafte Aussagen über den Kosovo macht oder sich im richtigen Siegesmoment mit dem nationalistischen Drei-Finger-Gruß der Serben ablichten lässt. Es fällt nicht leicht, ihn nur im Licht seiner sportlichen Leistung zu beurteilen.

Dennoch muss man sich die Frage stellen, warum sich die Presse auf all das ausgerechnet jetzt stürzt. Lange muss man nicht überlegen, denn die Schlagzeile auf ZDFheute.de offenbart, worum es eigentlich geht: Djokovic darf an den Australian Open teilnehmen, obwohl er nicht geimpft ist, denn er ist im Besitz einer Bescheinigung, die ihm das erlaubt. Und das ist das eigentliche Problem.

Natürlich, es ist davon auszugehen, dass da was faul ist. Wo hat Djokovic so schnell eine Bescheinigung herbekommen? Fragen muss da erlaubt sein. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der inzwischen auf geltendes Recht á la Macron geschissen wird, erschreckt mich: wo auch immer er die Bescheinigung her hat, sie ist erst einmal gültig und es steht den Behörden frei, diese zu prüfen. Bis dahin ist sie gültig.

Zur Erinnerung: der von mir sehr geschätzte Maradona war spätestens nach der WM 1990 tief drin im Drogensumpf. Zinedine Zidanes Fehltritte (oder wahlweise Kopfstöße) wurden ihm allesamt verziehen bzw. immer gesondert betrachtet, nie im großen Zusammenhang. Jan Ullrich ist hierzulande trotz seines Doping-Skandals immer noch hoch angesehen als der, der den Radsport in Deutschland populär gemacht hat. Oliver Kahn durfte sich aufführen wie ein wildgewordener Affe auf dem Rasen, man hat es ihm verziehen, denn er war ja der „Titan“. Basler, hach, schließlich war er ja Künstler und nicht nur Fußballer. Katrin Krabbe, Ben Johnson – ebenfalls des Dopings überführt. Effenbergs Stinkefinger war da ja noch niedlich.

Am ehesten kann man noch Christoph Daums Fall mit jenem Djokovics vergleichen. Ja, er hatte ein Koksproblem, aber eigentlich ging es im Hintergrund um etwas anderes. Da ging es um eine alte Fehde zwischen ihm und dem, der ihn verraten hat: Uli Hoeneß. Wie verlogen das Ganze war, haben wir ein paar Jahre später gesehen, als herauskam, dass Hoeneß Millionen an der Börse verzockt hatte, wie im Rausch. Unschuldig ist doch da keiner und niemand verlangt, dass jetzt alle angezeigt werden oder niemand. Was ich verlange ist: es soll immer nur um die Sache gehen, um die eine Sache, und die heisst bei Djokovic: solange er eine Bescheinigung hat, dass er vom Impfen befreit ist, muss das gelten dürfen. Man kann auch der gegenteiligen Meinung sein, aber was hat in dieser Meinung dann die Aufzählung von Djokovics unangenehmen anderen Seiten zu tun? Was die Medien hier – wie im Fall Kimmich – machen, ist auf unterstem Boulevard-Niveau.

Das Traurige ist, dass ich mich inzwischen so daran gewöhnt habe, dass es mich nicht mal sonderlich stört. Erschreckend ist für mich aber, wie wenige Leute da draußen ebendies tun: sich daran stören. Auf die Titelseite eines der größten deutschen öffentlich-rechtlichen Leitmedien gehört keine Meinung. Da gehören Fakten hin. Ein Kommentar darf gerne darunter platziert werden, von mir aus gleich an zweiter Stelle. Damit sich der Leser selbst ein Urteil bilden kann auf der Grundlage von Fakten. Das ist heute.de mal wieder nicht gelungen, im Gegenteil: die Einreise nach Australien an sich könnte man ganz einfach als rechtlich korrekten Vorgang abhaken. Das reicht nicht für einen Sturm in der Kloschüssel. Wenn man dann aber alles, was man an Djokovic sonst so auszusetzen hat in einen Kommentar ganz oben in den Nachrichten platziert – dann sieht das schon anders aus. Der am Sport Uninteressierte könnte aufgrund Djokovics sportlicher Leistungen ja möglicherweise Sympathien entwickeln. Wenn er aber gleich dazu noch all seine Verfehlungen präsentiert bekommt (und ja, ich kann mit Djokovic sehr, sehr wenig anfangen), wird er ihm kaum eine Chance geben. Was hier passiert, ist Rufmord und entspringt keiner rechtsstaatlichen Haltung. Eigentlich sollte Machtkontrolle – und das sollte die Aufgabe von Medien ja sein – ja bedeuten, dass man gerade dann vom Waschen schmutziger Wäsche absieht, wenn jemand mit dem Rücken zur Wand steht. Aber das will ZDF heute ja nicht.

Und Abseits, lieber Praktikant vom ZDF, ist ein Begriff aus dem Fußball, nicht aus dem Tennis.

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