Zahlen zum Angebot von Kita-Plätzen werden beschönigend kommentiert

[Update 25.07.2014]:

heute.de zitiert eine Studie, nach der unter Idealbedingungen, also bei einem Betreuungsverhälnis von 1 : 3 (ErzieherIn : Kinder) 120.000 ErzieherInnen fehlen. Frau von der Leyen stellte sich vor Jahren hin und phantasierte die Zahl von 780.000 Kita-Plätzen vor der Presse – eine Zahl, die bis heute noch nicht erreicht ist (vgl. Beitrag unten); ein ganzes Jahr nach der selbstgesetzten Frist. Schlimmer noch: selbst, wenn man all diese Plätze hätte, sie brächten niemandem was, denn Kinder müssen ja noch betreut werden. Wenn möglich, von pädagogisch geschultem Personal. Höre ich jemanden verwundert „Von wem denn sonst?“ fragen? Tja, ich selbst sah in einer Kindergartengruppe 2 Physiotherapeutinnen arbeiten. Sie mögen ja ganz nett gewesen sein, aber Pädagoginnen waren es eben nicht, und das hat man auch im Umgang mit den Kindern gemerkt. Schlechter Träger? Nein, nicht wirklich. Die Träger haben oft gar keine andere Wahl. Aus Sicht der Eltern mag es so aussehen, als gäbe es zu wenig Kita-Plätze. Aus Sicht von Erzieherinnen gibt es ein Überangebot an Stellen. Dementsprechend schwierig ist es für Träger, Fachpersonal zu bekommen und dann wird eben eingestellt, was irgendwie was mit Menschen zu tun hat, und wenns ein Physiotherapeut ist.

[Update Ende]

 

Immerhin: heute.de lässt sich von den Euphemismen der Politik nicht beeinflussen. Schon die Überschrift dieses Artikels bringt es auf den Punkt: „Kita-Plätze reichen nicht“ bzw. „Nachholbedarf bei Kita-Ausbau“. Das war letztes Jahr noch anders. Rückblick: brav wurde in der Presse wiederholt, was das Bundesministerium von sich gab. Wörtlich sagte Familienministerin Schröder:

1. „Deutschland hat bei dem Thema Kinderbetreuung lange anderen Ländern hinterher gehinkt, aber nun in einem echten Kraftakt ganz enorm zugelegt“ und

2. „Denn das Thema endet nicht mit dem Bedarf, sondern auch die Qualität muss weiter gesteigert werden“.

Frage: liest sich das wie „wir können die Nachfrage an Kita-Plätzen nicht befriedigen“? Antwort: nein. Hier wurde verschleiert, dass weiter Kita-Plätze fehlen, und nicht wenige. Folgende aktuelle Grafik verdeutlicht dies:

 

kinderbetreuungEin Jahr Verzug und immer noch 118000 Plätze zu wenig. Von welchem „Kraftakt“ sprach Familienministerium Schröder seinerzeit? (Quelle: heute.de 17.07.2014)

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Zu diesen Zahlen gibt es einiges zu sagen. Ich fasse meinen Artikel letzten Jahres kurz zusammen: in die Zahl der Plätze wurden auch solche gezählt, für die lediglich eine Betriebsgenehmigung bestanden hat, die in Wirklichkeit aber noch gar nicht existent waren. Weiter wurden Qualitätsstandards gesenkt – Stichwort Kita Marke „Baucontainer“. Zudem wurden Einbußen bei der Qualität des Personals gemacht. Man nahm einfach jeden, und selbst dann gab es noch Erziehermangel. Also versuchte man, Erzieher aus ehemaligen Schlecker-Beschäftigten und Langzeitarbeitslosen zu rekrutieren. Ausserdem wurden Plätze bei Tagesmüttern als Kita-Plätze gezählt. Um Tagesmutter zu werden, bedarf es keinerlei pädagogischer Ausbildung. Es mag gute, es mag schlechte Tagesmütter geben; ein pädagogischer Standard ist bei ihnen nicht zu erwarten. Zuletzt wurden Mittel für freie Horte gestrichen, um die Träger so zu zwingen, diese dicht zu machen. Ergebnis: frei werdende Raum- und Personalressourcen für…? Richtig, für die Schaffung von Vorschul-Kita-Plätzen. Dabei wurde den Trägern keine Wahl gelassen, wie dieses Infoblatt des Gemeinderats der Stadt Stuttgart im Dezember beweist:

umbau

Aber Frau Schröder stellte sich hin und verkaufte den Ausbau der Kitas als Erfolgsstory. Ganz klar, warum. Der Rechtsanspruch war ab August 2013 wirksam, die Bundestagswahl war im 6 Wochen später angesetzt, im September. Man hatte versagt und das hätte Stimmen kosten können. Also wurde alles getan, um diese Zahl irgendwie in die Nähe des selbst gesetzten Ziels zu strecken, und noch nicht einmal das gelang.

Ich bin enttäuscht. Nicht vom Ministerium, denn anderes hatte ich nicht mehr erwartet. Ich bin enttäuscht von der Wählerschaft. Und damit meine ich nicht deren Kreuzchen an der vermeintlich falschen Stelle. Jeder soll wählen, was er will und die wollten eben überwiegend die CDU.

Nein, ich hätte mir gewünscht, dass mehr Aufhebens gemacht wird um diese Zahl, die so nackt überhaupt nicht stehengelassen werden darf. Zu viel Beigeschmack trübt den Eindruck, den die nackte Zahl vermittelt, und seien wir ehrlich: selbst die nackte Zahl ist eine Schande, denn 662 000 statt 780 000 Plätze, die man im Vorjahr mal erreicht haben wollte – da wurde schlicht und ergreifen nicht geliefert. Stattdessen war die Empörung gering im Vergleich zu der Forderung nach mehr Kita-Plätzen. So schlimm scheint der Mangel an Plätzen offensichtlich ja nicht zu sein, wenn diese Zahlen so gleichgültig dahingenommen werden.

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