Frage an die Produktpiraten

Nur eines noch:
die Pirätchen sagen, es gäbe kein geistiges Eigentum. Schließlich würden auch Autoren auf Bestehendes zurückgreifen, aus dem Allgemeingut schöpfen. Also müsse man – durch die aufopferungsvolle Arbeit der Piraten natürlich – diese Bestandteil wieder in das Allgemeingut zurückführen.

Selbst wenn das stimmen würde – wenn also Kunst frei von jenem unbegreiflichen Etwas wäre, das aus einem Künstler kommt und dessen Ursprung niemand, manchmal nicht mal der Künstler kennt – selbst in diesem Fall würde das ja bedeuten, daß der Zweck von Kunst, wo immer sie auch herkommt, die Schaffung von Kunst wäre.

Wir reden beim Filesharing aber vom Konsum dieser Werke.

Deshalb, liebe Piraten: Ihr dürft gerne Musik nehmen, kopieren, auseinandernehmen – WENN Ihr daraus Neues schafft. Wenn Ihr Musik analysiert, versteht und dann neue Musik daraus macht.

Ihr macht doch aber gar nichts Neues aus der Musik, die Ihr kopiert. Ihr kopiert sie, um sie zu konsumieren. Warum zahlt Ihr dann nicht für sie? Wollt Ihr mir erzählen, Ihr tätet das, um die Entstehung neuer Werke zu beschleunigen? Dann stellt sie unbesehen, ungehört ins Netz für andere Künstler. Dann nämlich, und nur dann, habt Ihr das getan, was Ihr zu tun vorgebt: „Wissen“ (darauf reduziert Ihr die Kunst ja) an die Allgemeinheit zurückgeben.

Ich dachte ja eigentlich, daß Coder irgendwie logisch denken müssen, um zu coden, aber offensichtlich beschränkt sich die Logik auf das Programmieren, nicht auf das Argumentieren.

Feyd ist Feyd ist Feyd

Herr Braybrook, auf Ihrer Seite finden sich vermehrt Interviews, bei denen Sie Stellung zu gesellschaftlichen Themen nehmen. Man liest sich das durch und die erste Frage, die einem durch den Kopf schießt ist: wer interviewt Sie eigentlich?

Sie. Und Sie sind ich.

Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich selbst interviewen?

Exakt.

Das ist lächerlich!

Nein, wieso?

Ein Interview findet zwischen zwei Menschen statt. Es lebt davon, daß man sich Fragen, auch unangenehmen Fragen stellen muß.

Na, ich habe Sie auch immer als unangenehm empfunden.

Das glaube ich nicht. Sie legen sich doch alles zurecht. Ich kann gar nicht wirklich unangenehm werden, weil ich Du bin, Du Flitzpiepe.

Ist nicht wahr. Sie stehen für all die Gegenpositionen zu meinen Positionen. Letztere will ich ja loswerden, also gibt es Interviews.

Warum so umständlich? Warum bloggen Sie nicht einfach Ihre Meinung wie alle anderen Blogger?

Weil das langweilig ist. Ist es nicht so, daß man beim Lesen von Blogs nicht wirklich in den Text eintaucht, nicht wirklich Interesse an den Gedanken des Autors hat? Ich glaube, das hat den Grund, daß man schon vorbelastet in das Bloggen geht. Man möchte seine Meinung über dies oder jenes bloggen und legt los. Und genau das weiß jeder, der Blogs liest. Also geht man innerlich schon mit der Haltung ran: „aha, Überschrift legt Thema fest und die ersten Zeilen legen die Position des Autors fest“ – und dann hat man schon ein Urteil gefällt, weil der ganze Text inetwa so weiter geht wie die ersten 3 Zeilen. Das ist doch langweilig ohne Ende.
Interviews hingegen laufen anders ab und die Fragen brechen so einen Text auch auf, zerkleinern ihn in verdaulichere Happen, selbst, wenn man so viel redet wie ich.

Ich habe nichts gegen Interviews, ich habe etwas dagegen, daß sie mich erfinden und so tun, als sei ich eine andere Person. Ich stelle in Frage, daß sie selbst so sehr in eine andere Person schlüpfen können, um die Dialektik eines Interviews vorzutäuschen.

Klar, es kann sein, daß ich mir einiges zurechtlege. Aber die Fragen – oder besser Gegenfragen, die ich Sie stellen lasse, sind zumeist Argumente tatsächlicher Gegner meiner Meinung. Beispielsweise die Diskussion um das Urheberrecht. Ich habe im Grunde all die Gegenargumente aus Blogs, Foren oder Nachrichtenseiten zusammengetragen und Ihnen in den Mund gelegt. Man könnte es mit einer Art FAQ vergleichen – das findet ja auch in einer gestellten Antwort-Frage-Konstellation statt. Mit dem Effekt, daß es viel leichter ist, die Antwort auf sein Anliegen zu finden. Genau so läuft es hier: manche Leute vertreten den Standpunkt „die GEMA zockt Konsumenten und Autoren gleichermaßen ab“. Ich verpacke das in eine Interview-Frage und so findet man schnell, was Feyd Braybrook dazu zu sagen hat.

OK, wie steht es dann mit der Spontaneität? Ein Interview lebt doch davon, daß spontane Fragen entstehen und gestellt werden.

Ich gehe ja auch nicht so ran, daß ich 20 Fragen vorformuliere und dann die Antworten schreibe. Ich beginne mit einem Gedanken und versuche mich kurz dazu zu äußern. Das Tolle an meinem inneren Dialog ist ja dann…

…mein Gott, was sind sie für ein eingebildeter Fatzke… „das Tolle an meinem inneren Dialog“…pfft…

…das Tolle daran ist, daß mir beim Schreiben der Antwort immer wieder einfällt, was man nun schon wieder entgegnen könnte. Ein Romanautor schreibt ja auch Dialoge und ich habe hier und da gehört, daß es dem einen oder anderen auch glaubhaft gelungen sein soll.

Und Sie halten sich für einen Romanautor?

Nö, ich bin Feyd Braybrook und fake meine eigenen Interviews. Solange die Leute das lesen, ohne zu gähnen, ist es doch OK, oder?

Warum schreiben sie dann keine Romane?

Weil man auch an Romane vorbelastet rangeht. Es gibt Leute, die lesen grundsätzlich keine Romane. Wie soll ich die erreichen?

Ach so, jetzt: sie meinen, etwas Neues erfunden zu haben.

Kann man so sagen, ja. Das ist so ne Art dialektischer Monolog.

Aber mit 2 Rollen.

Richtig.

Sie sind ein eingebildeter Fatzke. Ich mach da nicht mit.

Oh doch. Sie müssen. Und Sie werden.

Ich hoffe, Sie werden mal so bekannt, daß jemand Wirkliches Sie interviewt. Und ich hoffe, der nimmt Sie dann mal so richtig in die Mangel.

Schlimmer als mit Ihnen kann es nicht werden.

Herr Braybrook, ich danke Ihnen für das Interview.

Bedanken Sie sich doch bei sich selbst.

Borna: matrjoschka

f.a.q.

Update: 19.01.2010

Wer ist Feyd Braybrook?

Siehe „About“. Und: ja, eigentlich hieße ich lieber Paul, aber der Zug ist nunmal abgefahren…

Gibt es hier Zensur?

Ja, bei politisch extremen Beiträgen oder Spam. Meistens trifft beides zu.

Politik, Webkulturpessimismus, Humor, Sex, Seltsames, Musik, Film… welchem Konzept folgt dieer Blog?

Keinem, jedem.

Wäre eine einfache Meinung manchmal nicht sinnvoller als ellenlange Argumentationsketten?

Oh ja…

Willst du jetzt behaupten, es gäbe kein Integrationsproblem?

Ja, will er. Oder anders gesagt: die Probleme im Zusammenhang mit Migration haben ihre Ursache ganz woanders. Sie sind ein Mosaiksteinchen, auf das die ganze Last sozialer Ungerechtigkeit projiziert wird.

Was hast du gegen web.de?

leider noch nix, was legal ist…

Wieso regst du dich über Boulevard-Presse auf? Man kann Medien wie die BILD-Zeitung doch auch einfach ignorieren…

Die Medien schon, die Meinung nicht, denn sie steht für „Volkes Stimme“.

Glaubst du, daß du auch nur ein Qäntchen Einfluß auf web.de & Co. hast?

Nein. Aber die Klappe halte ich dann, wenn ich unter der Erde liege.