Alltagsnazis I

Es rufen mich die Jungs nach unten in den Hof, weil da ein Mann mit ihnen schimpft. Also gehe ich da hin, um mir das mal anzuhören. Der Mann ist etwas kleiner als ich, aber recht stämmig und trägt einen Bart. Ich spreche ihn an, und kaum habe ich meinen Satz beendet, legt er los. Er sei Chef in einem Betrieb in der Nähe, dessen Büros ihre Fenster zur Straße raus haben. Bei dieser Hitze müßten diese offen sein und so höre man das permanente Knallen, das entsteht, wenn der Lederball gegen unsere billige Metalltür knallt. So könne man nicht arbeiten. Notfalls rufe er die Polizei.
Dann bin ich dran.
Womit er wohl nicht gerechnet hatte, ist, daß ich Verständnis signalisiere. Will heißen: ich biete ihm an, daß wir erstmal das Fußballspielen unterbinden und nach einer anderen Lösung suchen. Dann sage ich, daß wir zwar keine Angst vor der Polizei hätten – meines Wissens nach kann man bei Geräuschen durch Kinderspiel innerhalb erlaubter Zeiten nichts machen -, aber schließlich seien wir Nachbarn und und ich hielte den Weg der direkten Kommunikation für besser.
Eigentlich alles geregelt, denke ich.
Dann legt der Mann los: ich solle mir da nur nicht zu sicher sein. Der Krach sei störend und laut, es wäre unmöglich, bei diesem Donnern – dabei haut er mit ordentlicher Wucht gegen das Tor – zu arbeiten und wir hätten uns da im Zweifel zu fügen.
Ich denke mir: na gut, da geht’s ihm jetzt ums Prinzip. Also: etwas Wind aus den Segeln nehmen. Dabei wiederhole ich, wie gut ich es fände, daß wir direkt miteinander sprächen, anstatt das irgendwie mit Polizei regeln zu müssen. Hab ich zumindest vor, aber soweit kommt es nicht. Der Typ von nebenan wird lauter, unterbricht mich, haut nochmal gegen die Tür, fester, um mir die Lautstärke des Fußballspielens zu demonstrieren und droht schon wieder mit Polizei.
Ich verstehe nicht ganz. Eigentlich habe ich doch dieses Thema bewußt vermieden, denke ich. Also nochmal, jetzt mit ganz viel Wertschätzung. Ein weiteres mal muß ich mich zusammenreißen und tief in der Freundlichkeitskiste kramen. Aber wer suchet, der findet und es gelingt mir, freundlich zu antworten.
Wir als Nachbarn müßten uns doch jetzt nicht streiten, die Sache sei ja jetzt geklärt, das Fußballspielen beendet. Es gäbe keinen Anlaß, sich weiter… und wieder werde ich unterbrochen, von einem lauten Knall.
Der Typ haut mehrfach gegen die Tür, schnauzt mich an, wiederholt seine Drohungen mit Polizei und so.
Und irgendwann platzt mir dann der Kragen. Ich klatsche vor seinem Gesicht in die Hände und er zieht es zurück, da es zuletzt nicht mehr weit vor dem meinen war. Er verstummt, glotzt dümmlich. Dann lege ich los. Er könne gerne die Polizei holen, dann würden wir ja sehen, wer im recht sei, und er solle sich gefälligst nicht anmaßen, mich permanent zu unterbrechen. Und wenn er noch einmal gegen unser Tor hauen würde, dann…
Das einzige, was ich von dem Typ noch sehe, ist sein Rückzug. Nachdem er erstmal 2 Sätze nach hinten gemacht hat, verkrümelt er sich und ruft noch hinterher, er würde die Polizei holen und die würden dann mit unseren „Kanacken“ schon fertig werden (zur Info: wir haben Kinder / Jugendliche mit Migrationshintergrund und das sieht man ihnen teilweise an).

Weder die Polizei noch diesen Typen habe ich je wieder gesehen. Wir haben trotzdem unseren Jungs gesagt, daß sie erstmal nicht vor dem Tor Fußball spielen sollen. Natürlich sollen Nachbarn in Ruhe arbeiten sollen. Dafür haben wir nach wie vor Verständnis. Die Frage ist nur, ob wir unser Geld in ein Tor mit Netz oder einen Gummibezug für die Außenseite des Tores investieren sollen, denn weder wollen wir Nachbarn beim Arbeiten stören, noch dazu beitragen, daß sich Irre ernsthaft beim Versuch des Frustrationsabbaus am Tor selbst verletzen.

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