S21-Befürworter weinen Krokodilstränen um den Park…

Stuttgarter Zeitung online: iiihhh, Camping!

Nein, das ist kein Campen im eigentlichen Sinne des Tourismus.

Das soll es aber auch nicht sein. Hier passiert etwas Spannendes: Menschen bemächtigen sich eines (Wohn-)Raums, der von der Öffentlichkeit nicht genutzt wird.
Der besagte Teil des Parks soll ja bekanntlich Stuttgart 21 weichen, die Parkschützer sind dagegen.
Ob sie es nun schaffen, oder nicht: ein öffentliches Interesse an diesem Teil des Parks kann von Befürworterseite logischerweise nicht mehr bestehen. Mit klaren Worten:
wenn man Befürworter von S21 ist, will man dieses Gelände doch sowieso dem Erdboden gleich machen. Was gibt es da noch zu schützen?

Schauen wir mal in den Artikel. Dort heißt es:
„Die IG (Bürger für Stuttgart 21, Anm. F.) spricht von „Müll, Dreck überall, dem Rasen als Schlammfeld“ und sammelt derzeit Unterschriften für eine Sammelbeschwerde beim baden-württembergischen Staatsministerium.“

Die „IG“ betreibt die Facebook-Präsenz der Befürworter. Dort wird massiv PR für S21 (und gegen K21) betrieben. Zuletzt wurde die Präsenz dazu genutzt, die Spuren der T-Shirt-Affäre zu verwischen.

Und nun soll eine Sammelbeschwerde auf den Weg gebracht werden. Im Hinblick auf die weiteren Aktivitäten der Facebook-Präsenz wird einem schnell klar, daß es gar nicht um deren rechtliche Seite geht – ob da jetzt Konsequenzen, vielleicht gar eine Räumung folgen sollen. Es geht darum, das zu tun, was die S21-Befürworter seit langem tun:
dem Widerstand eine negative Etikette aufzudrücken.

„Seht her, die Gegner von S21 sind asoziale, obdachlose und ungepflegte Müllproduzenten.“ – so soll sich das der potenzielle CDU- S21-Befürworter denken.

Die negativen Eigenschaften einiger weniger werden auf die gesamte Masse übertragen. Dazu brauchen sich Stefan Wöhler und Sven Willing, die Betreiber der Präsenz, noch nicht einmal die Finger schmutzig zu machen und selbst diese Verallgemeinerung durchzuführen. Es reicht, wenn die Stuttgarter Zeitung mit einer 25-Foto-Strecke Punks im Müll zeigt. Den Rest erledigt dann das auf Ordnung und Sauberkeit programmierte Hirn jener, für die die Schwäbische Kehrwoche der Ausgangspunkt sozialer Kontakte in der Nachbarschaft ist. Hier wird ein Bild vom Park gezeichnet, das völlig unzutreffend ist: der Park, das soll eine Müllhalde sein, ein Treff von Obdachlosen.

Ich selbst habe mich überzeugt: selten habe ich an einem öffentlichen Platz eine derart offene und gleichzeitig sinnerfüllte Athmosphäre erlebt. Hier, wo am 30.09. so viel Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten ausgeübt worden ist, genau hier ist das Volk geblieben. Es hat ohne rituellen Schnickschnack diesen Platz zu einem Platz des Happenings gemacht, allein durch seine Präsenz und den offenen Diskurs vor Ort – gerade auch mit Befürwortern des Projekts.

Die Kriminalisierung der Demonstrationen ist anhand der Äußerung der IG, „die Parkschützer“ hätten den Park „verschmutzt und zerstört, und zwar mehr, als es die Bauarbeiten für Stuttgart 21 je tun werden“ völlig offensichtlich: „Am Anfang habe das Land die Dauermahnwache mit einem Zelt genehmigt, „alles andere ist illegal“.

Menschen sind zu hunderttausenden gegen S21 demonstrieren gegangen und stelbstverständlich haben sie es vor Ort, im Park getan. Daß dabei das Gras zertrampelt wird, ist vermutlich nicht zu vermeiden, wobei man dazu sagen muß, daß die größte Zerstörung durch das Wasser der Wasserwerfer am 30.09. entstanden ist. Wenn es regnet, geht auch kaum jemand in den Park – eine natürliche Regulierung sozusagen: ist es durch Regen naß, ist der Rasen anfällig, aber bei Regen läuft auch fast keiner drüber.

Die Regierung war aber der Meinung, zu einem Zeitpunkt hoher Frequentierung, während einer Schülerdemo, Wasserwerfer einsetzen zu müssen. Daß das dann zu zerstörtem Rasen führt, ist demnach nicht die Schuld der Demonstranten, denn man hätte die Menge an Menschen ja nicht einfach nach Hause schicken können mit dem Hinweis, daß ansonsten ja der Rasen kaputtgeht. Viel leichter wäre es gewesen, die Wasserwerfer trocken zu lassen. Da reicht ein Befehl, und der Rasen bleibt ganz.

Aber mal abgesehen vom Rasen:

Es wurden hunderte Menschen am 30.09. verletzt, manche davon schwer. Und die Befürworter sorgen sich um den Rasen, der dabei zerstört worden ist; einen Rasen, den sie zugunsten einer kalten 50er-Jahre-B-Science-Fiction-Movie-Architektur sowieso weghaben wollten, mitsamt der Bäume und der kulturellen Bedeutung dieses Ortes für die Menschen.

Dafür ist ihnen nichts zu schade: sie fotografieren 5 Punks mit ihren Zelten, eine zerbrochene Bierflasche und ungespülte Tassen, lassen es unter dem Deckmantel freien Journalismus´ in der Lokalzeitung veröffentlichen und nutzen es für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie die Sammelbeschwerde.

Der Park ist längst mehr als nur ein Park: er hat symbolische und tatsächliche Bedeutung für die gesamte Bewegung gegen Stuttgart 21. Dabei liegen manche Symbole wie die gefährdeten Bäume auf der Hand:

Symbol des Lebens, gewachsen in Jahrzehnten – manche Bäume sind über 200 Jahre alt usw.
– weitere Symbole sind dazugekommen: die Parkwache als Symbol für die Wachsamkeit oder ein erwachtes Bewußtsein nie repräsentierter Bürger, die merken, daß es offensichtlich keine Möglichkeit gibt, Macht vertrauensvoll abzugeben, ohne sie direkt und selbst zu kontrollieren.
– dann der Park als Versammlungsort: hunderttausende von Menschen verbinden damit Erlebnisse aktiver Demokratie in Form der wiederholten Demonstrationen
– und natürlich gibt es noch die unzähligen Kunstwerke vor Ort – sie aufzuzählen, ist anhand ihrer Masse nicht möglich. Sie reichen von einfachen Sympathie-Bekundungen bis hin zu gewitzten Aktions-Kunstwerken wie den Schleifen an den Zweigen der Bäume, an denen Kinder ziehen, ohne die Zweige abzubrechen.

Dieser Schloßpark ist ein Ort öffentlichen Lebens geworden und dieser seltene Umstand führt zu Begegnungen, die in einer schlafenden Gesellschaft nie möglich wären: Menschen unterschiedlichster Art begegnen sich in einer offenen, wohlwollenden Athmosphäre.

Allein deshalb schon gehört der Park geschützt und eines kann den Betreibern der Sammelbeschwerde gesagt sein: die Parkschützer werden langfristig ganz bestimmt besser für den Rasen sorgen als die S21-Gegner, denn letztere wollen ihn ratz-fatz beseitigen, um eine überdimensionale Käsereibe darauf zu bauen.

Zum Vergleich:

2 Antworten

  1. Genau!

  2. Genau so ist es! Perfekt auf den Punkt gebracht!

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