Gestern ich auf facebook so…:
Piratenchef Schlömer gestern auf tagesschau.de: „Die Menschen wissen einfach nicht, wofür die Piratenpartei steht.“
Ich glaube, das wissen die Piraten selber nicht 😀
Dann verlinkt Stephan Römer auf diesen Artikel bei wecab. Wer zu faul ist, das zu lesen: youtube behauptet, die Gema würde Videos sperren, was sie schon rein technisch gar nicht kann. Sie will, das ist ja ihre Aufgabe, das Geld dafür einziehen und an die Urheber weiterleiten. Das will aber youtube nicht und lügt in bester Shitstorm-Manier das Blaue vom Himmel herunter. Jedenfalls hat nun der Stern gemeint, ganz witzig sein zu müssen und eine Bilderstrecke mit Fake-youtube-Meldungen gepostet. Beispiel:
„Dieses Video ist in Deutschland wegen der maßlosen Gema-Forderungen gesperrt. Sorry liebe Rockmusiker, wir wollen nicht für eure Rolls-Royce-Wagen, Kunstsammlungen und die Unterhaltsansprüche eurer Ex-Frauen aufkommen.“
Und wieder ist der Urheberrechtsstreit entflammt und in diesem Zusammenhang habe ich natürlich auch wieder meinen Senf dazu beigetragen:
also: reich werden darfst du, indem du das Geld der Masse als Banker bei Immobiliengeschäften in den Sand setzst. Aber wehe, du wagst es, mit so Hokus-Pokus wie Musik reich zu werden. Das geht gar nicht.
und selbst, wenn sie (die Musiker und Autoren) reich wären, was wäre dabei? Aber sie DÜRFEN es ja ncht. Weil manche Leute trotz all der Zivilisationsgeschichte immer noch einen Unterschied machen zwischen Dingen, die man anfassen kann und Dingen, die nicht greifbar sind. Das ist das Niveau von Grundschülern. Denen musst du auch erklären, dass Hauptworte auch Dinge sein können, „die man nicht anfassen kann“. Und so ist es auch mit Musik. Die kannst du nicht anfassen, also ist sie in deren Augen auch nix wert. Der Musiker auf der Bühne hat ja eigentlich nur Spaß dabei, sein Instrument zu spielen. Mit Arbeit hat das alles nichts zu tun.
Dann schrieb Marcel Schweder:
Vor allem weil auch keiner von uns solche profanen Sachen wie Miete oder Stromrechnungen etc. pp. bezahlen muss. Als Künstler stehen wir ja eh über solchen Dingen.
und ich schloss daraufhin:
Wenn ich meine Gitarre anfasse, spüre ich, wie die Energie mich durchfliesst und schon habe ich keinen Hunger mehr bzw. brauche keinen Schlaf, also auch kein Bett, keine Wohnung usw. Ich bin sowieso lieber draussen, wie wir alle, denn Strassenmusiker zu sein, hach, das ist ja sowas von romantisch. Man kommt ganz schön rum dabei und bringt den Leuten Freude. Wenn die an einem vorbeilaufen und lächeln, dann ist das schon Bezahlung genug. Hach ja…
Genauso ist das mit den Piraten, sie sind auf dem Niveau eines Grundschülers. Der schreibt „Haus“ und „Brot“ groß, denn beides kann man anfassen (und auch stehlen). „Liebe“, „Angst“, Freundschaft“, „Gedanke“ oder gar „Luft“ – all das kann man nicht anfassen, demnach kann es also auch kein Hauptwort sein. Und da „Musik“ demnach auch nicht angefasst werden kann, kann man sie auch nicht stehlen, so die Piraten. Das mp3 ist ja immer noch „da“, wenn man es kopiert.
Aber die Frage nach einem materiellen Raum stellt sich nicht. Musik ist weder „in“ deinem Computer, noch „in“ deinem Ohr. Seine elektronischen Bestandteile sind im PC, die Schallwellen dringen ans Ohr, werden dort in Signale verwandelt und im Hirn verarbeit. Aber die Musik?
„Da“ oder „dort“ – das gilt für Elektronen, Einsen, Nullen, Schallwellen, Nervenimpulse usw. Aber das gilt nicht für das, was der Mensch als Musik empfindet. Vergesst naturwissenschaftliche Erklärungsversuche in bezug auf das, was Musik wohl ist.
Musik, das ist der Sinn, der sich aus der Interpretation dieser ganzen Signälchen und Schwingungen ergibt und dieser Sinn ist etwas hochkomplexes – da muss schon mehr als die Naturwissenschaft her, um das zu „erklären“. Wahrscheinlich kann man das auch garnicht. Vielmehr ist es so, dass es bei der Musik ein letztes Geheimnis gibt, das unentschlüsselt bleibt, selbst für den Autor. Aber ganz so niemandem überlassen will ich die Interpretation gar nicht. Natürlich habe ich meine Interpretation von „Sinn“:
Musik, das ist eine Konstruktion aus der musikalischen Prägung des Autors, seiner musikalischen Ausbildung, seinen persönlichen musikalischen Interessen und das prallt dann auf die Prägung des Hörers und seinen zugang zur Musik bzw. seine Interessen. Aber auch das ist noch lange nicht alles, was sich in den dreieinhalb Minuten abspielt, in denen ein Song gehört wird. Denn Musik wird auch durch Dinge beeinflusst, die mit Musik gar nichts am Hut haben. Was hat George Harrison dazu bewogen, eine Sitar zu benutzen? Er hatte Ravi Shankar und die Meditation für sich entdeckt, weil er auf der Suche nach einem Weg aus dem Musikzirkus heraus war. Also Musik brachte ihn dazu, eine bestimmte Konstruktion von Musik – die Beatlemania – zu verlassen, ihr zu entfliehen. Und das, was er dort dann fand, verband er letztendlich dann doch wieder mit Musik, aber diese war nun verändert.
Und auch das ist nur ein winziges Mosaiksteinchen des kreativen Schaffensprozesses.
Und jetzt kommen so ein paar Nullen von der Piratenpartei daher und erzählen mir, dass Musik nichts weiter als ein paar Einsen und Nullen sind, die nur jeweils anders zusammengesetzt werden. Sie reduzieren diese Komplexität auf ein paar physikalisch nachweisbare Elektronenströme und kleben das unschöne Wortkürzel „mp3“ drauf – das nenne ich mal eine Verdinglichung, wobei ich kein Problem habe, selbst dieses Kürzel zu benutzen. Sie könnten es auch xyz12345 nennen, solange sie die Wertschätzung in Form von Bezahlung rüberbringen würden, aber das tun sie ja nicht.
Nichts, nichts haben die Piraten verstanden. Sie verstehen sich ja noch nicht einmal selbst, sondern reduzieren ihr eigenes politisches Treiben auf Sekundärtugenden wie Transparenz und Partizipation.
Dabei ist es doch so einfach: der Mensch ist mehr als das, was wir mit den Sinnen erfassen können und gerade die Musik ist der Beweis dafür: ein kleiner Teil der Musik ist das, was wir akustisch, mit dem Hörsinn erfassen. Aber das kann ein Richtmikrofon auch. Was Töne für uns zur Musik macht, das ist der individuelle Sinn, den wir ihr geben und den der Autor ihr gibt. Das ist so dermassen hochkomplex, dass es nie Computer geben wird, die das „entschlüsseln“ können. So viel materielle Kapazität in Speicher oder Rechenleistung kann es garnicht geben, denn es ist ein qualitativer Unterschied: zuerst war die Musik, und dann erst der Ton.
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